OGH: Zur lastenfreien Abschreibung von Grundstücksteilen
Eine Dienstbarkeit ist auch dann mitzuübertragen, wenn auf dem Grundstück, dem der Teil zugeschrieben wird, bereits eine inhaltsgleiche Dienstbarkeit einverleibt ist
§ 3 GBG, § 3 LiegTeilG, § 25 LiegTeilG
GZ 5 Ob 191/21f, 09.06.2022
OGH: Der Umfang eines Grundbuchskörpers kann (nur) durch die grundbücherliche Ab- und Zuschreibung von einzelnen Liegenschaften oder Liegenschaftsteilen geändert werden (§ 3 Abs 2 GBG). Bei der Durchführung einer solchen Ab- und Zuschreibung ist nach den Bestimmungen des LiegTeilG vorzugehen (§ 74 Abs 2 GBG).
Eine lastenfreie Abschreibung erfordert - abgesehen von der Möglichkeit des Aufforderungsverfahrens (§§ 4 ff LiegTeilG), der Abschreibung geringwertiger Trennstücke (§§ 13 f LiegTeilG) und den Sonderbestimmungen für die Verbücherung von Straßen-, Weg-, Eisenbahn- und Wasserbauanlagen (§§ 15 ff LiegTeilG) - die Zustimmung der Buchberechtigten. Eine Ausnahme von diesem Zustimmungserfordernis besteht nach § 3 Abs 2 LiegTeilG bei Grunddienstbarkeiten, die auf bestimmte räumliche Grenzen beschränkt sind. In diesem Fall kann die lastenfreie Abschreibung im Grundbuchsverfahren gegen den Willen des Dienstbarkeitsberechtigten erfolgen, wenn sich die räumliche Beschränkung der Grunddienstbarkeit schon aus dem Grundbuch ergibt (§ 12 Abs 2 GBG) und durch Urkunden, die den Anforderungen des § 74 Abs 1 GBG entsprechen, nachgewiesen wird, dass sich die Dienstbarkeit auf das abzuschreibende Trennstück nicht bezieht. Die lastenfreie Abschreibung bedarf eines ausdrücklichen Antrags. Wenn die Abschreibung schlechthin, somit ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die Lastenfreiheit begehrt wird, sind alle Lasten iSd § 9 GBG bei der Abschreibung mitzuübertragen.
Das Rekursgericht sah hier die Mitübertragung der eingetragenen Dienstbarkeit ausnahmsweise nicht als erforderlich an: Es verweist auf § 25 Abs 2 LiegTeilG, wonach durch die Zuschreibung alle auf den Grundbuchskörper, dem der Bestandteil zugeschrieben wird, sich beziehenden Eintragungen, und damit die (offenbar) inhaltsgleiche Dienstbarkeit, auch für das zugeschriebene Stück Wirksamkeit erlangen (§ 25 Abs 2 LiegTeilG). Das bedeutet aber nicht, dass sich durch die lastenfreie Abschreibung an der Rechtsposition des Dienstbarkeitsberechtigten nichts ändert. Mit § 25 Abs 2 LiegTeilG wurde nur eine Bestimmung für das Eintragungsverfahren nach einer Liegenschaftsteilung, nicht aber materielles Recht geschaffen. Die in § 25 Abs 2 LiegTeilG vorgesehene Ausdehnung der Wirksamkeit der Eintragung auf den zugeschriebenen Teil bedeutet daher nur, dass auch dieser - wie das Grundstück, dem zugeschrieben wird - mit der Dienstbarkeit belastet ist. Mangels Mitübertragung der in der Stammeinlage einverleibten Dienstbarkeit bleibt das Recht zu deren Ausübung in Bezug auf das lastenfrei zugeschriebene Trennstück zumindest unklar, was im Fall des Erwerbs der belasteten Liegenschaft durch einen gutgläubigen Dritten im Vertrauen auf den Grundbuchsstand von Bedeutung sein kann.