16.08.2022 Zivilrecht

OGH: Zum Garantievertrag (hier: Anzahlungsgarantie iZm Insolvenzeröffnung)

Für eine Anzahlungsgarantie ist charakteristisch, dass nicht der sich aus dem Vertrag ergebende Anspruch auf die Hauptleistung abgesichert wird, sondern der Anspruch auf Rückgabe der geleisteten Anzahlung, sollte die angezahlte Leistung nicht erbracht werden


Schlagworte: Garantievertrag, Anzahlungsgarantie, Insolvenzeröffnung
Gesetze:

 

§ 880a ABGB, § 914 ABGB, § 915 ABGB, § 21 IO, § 22 IO

 

GZ 8 Ob 36/21h, 29.06.2022

 

OGH: Ein Garantievertrag ist kein abstraktes Schuldverhältnis, sondern auf einen Sicherungszweck, den Eintritt des Garantiefalls, bezogen. Die Garantie hat daher jene Bedingungen genau zu umschreiben, von deren Erfüllung die Garantieverpflichtung abhängig gemacht wird. Steht keine über den Wortsinn der Garantieurkunde hinausgehende übereinstimmende Parteiabsicht fest, dann kommt es nur auf den objektiven Erklärungswert der Urkunde, nicht aber darauf an, wie eine Partei diese subjektiv verstanden hat. Die im Rahmen eines Garantievertrags abgegebenen Erklärungen des Garanten unterliegen den Auslegungsregeln der §§ 914, 915 ABGB. Im Zweifel sind Garantieerklärungen eher eng und förmlich auszulegen.

 

Für eine Anzahlungsgarantie ist charakteristisch, dass nicht der sich aus dem Vertrag ergebende Anspruch auf die Hauptleistung abgesichert wird, sondern der Anspruch auf Rückgabe der geleisteten Anzahlung, sollte die angezahlte Leistung nicht erbracht werden. Diesem Grundsatz entspricht auch der im vorliegenden Verfahren festgestellte Garantieinhalt mit dem Wortlaut: „Nach dem Vertrag leisten Sie eine Anzahlung, deren Rückzahlung durch den Auftragnehmer durch die Beibringung einer Anzahlungsgarantie besichert werden soll. Daher übernehmen wir Ihnen gegenüber in dessen Auftrag zur Sicherstellung aller Rechte, die Ihnen gegenüber dem Auftragnehmer aus dem Bauvorhaben im Zusammenhang mit der geleisteten Vorauszahlung zustehen, die Haftung (...) Unsere Leistungspflicht besteht aber nicht, sofern uns der Auftragnehmer mittels von Ihnen gegengezeichneten Lieferscheinen nachweisen kann, dass er Waren und Leistungen, die dem Wert der Anzahlung entsprechen, bis spätestens zum Ablauf dieser Garantie an Sie geleistet hat. (...) Ausdrücklich festgehalten wird, dass durch die gegenständliche Garantie auch Ansprüche nach den §§ 21 und 22 IO gedeckt sind.“

 

Das Berufungsgericht hat diese Garantiezusage dahin ausgelegt, dass auch Ansprüche nach §§ 21 und 22 IO von der Garantie nur insoweit umfasst sind, als sie sich auf eine Rückzahlung der Anzahlung gründen, soweit diese bei Rücktritt des Masseverwalters noch nicht durch erbrachte Leistungen gedeckt sein sollte. Diese Rechtsansicht hält sich im Rahmen der von den von der Rsp entwickelten Auslegungsgrundsätze.

 

Eine nachvollziehbare Begründung für die Ansicht, dass der wegen erbrachter Werkleistungen bereits erloschene Anspruch auf Rückzahlung der Anzahlung bei Rücktritt des Masseverwalters nach § 21 IO wieder aufleben könnte, vermag die Revision nicht darzulegen.

 

Nach den Feststellungen war die an das Metallbauunternehmen geleistete Anzahlung bei Einstellung seiner Tätigkeit in den erbrachten Leistungen gedeckt und der Garantiefall daher nicht eingetreten. Eine Inanspruchnahme der Garantie für andere Schadenersatzforderungen wäre in diesem Fall rechtsmissbräuchlich gewesen.