05.07.2022 Verfahrensrecht

OGH: Zur Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs iZm einer Eigentumsfreiheitsklage

Das Klagebegehren ist vor dem Hintergrund und nach dem Verständnis des nach § 31 IPRG berufenen Rechts der gelegenen Sache (Realstatut) auszulegen und zu beurteilen


Schlagworte: Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs, Alleineigentum, Miteigentum, Gesamthandeigentum, Realstatut, lex rei sitae, Eigentumsfreiheitsklage, actio negatoria
Gesetze:

 

§ 40a JN, §§ 353 ff ABGB, § 523 ABGB, § 838a ABGB, § 31 IPRG

 

GZ 6 Ob 54/22t, 18.05.2022

 

OGH: Maßgebend für die Bestimmung der Art des Rechtswegs sind nach § 40a JN der Wortlaut des Begehrens und ausschließlich die von der klagenden Partei zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen, wobei va der innere Sachzusammenhang des jeweils geltend gemachten Anspruchs mit einer entweder in die streitige oder in die außerstreitige Gerichtsbarkeit verwiesenen Materie von Bedeutung ist. Einwendungen des Gegners oder die vom Gericht (hier in zutreffender Weise gar nicht) getroffenen Feststellungen sind für die Zulässigkeit der gewählten Verfahrensart nicht maßgeblich. Im Zweifel gehören alle in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen auf den Prozessweg. An diesen Grundsätzen hat auch der mit FamErbRÄG 2004 eingeführte § 838a ABGB nichts geändert.

 

Entscheidend für die Verweisung auf den außerstreitigen Rechtsweg nach § 838a ABGB ist, ob eine Streitigkeit zwischen Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten „den Kern des Begehrens“ bildet. Die Verweisung in das Außerstreitverfahren erstreckt sich nach den Mat nur auf diese mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber. Weiterhin auf den streitigen Rechtsweg gehören Ansprüche, die nicht (nur) auf das Miteigentumsverhältnis gegründet sind, sondern auf andere Rechtsgrundlagen wie Besitzstörungs-, Schadenersatz- und Bereicherungs- oder auch nachbarrechtliche Unterlassungsansprüche oder nach § 523 ABGB.

 

Die vorliegende Klage ist nach den behaupteten anspruchsbegründenden Tatsachen und dem primären Rechtsschutzziel als - nach österreichischem Sachenrecht zu beurteilende (§ 31 IPRG) - Eigentumsfreiheitsklage iSd § 523 ABGB anzusehen. Die Vorinstanzen nehmen nicht darauf Bedacht, dass sich die Klägerin ausdrücklich (und mehrmals) auf ihr alleiniges Eigentum an der Liegenschaft aufgrund einer Schenkung berufen hat. Sie hat damit zum Ausdruck gebracht, dass sie sich auf die Rechtstatsache des Vorliegens von Eigentum iSd §§ 353 ff ABGB in Bezug auf die (eben in ihrem Alleineigentum stehende) Liegenschaft stützt. Aus welchen von ihr vorgebrachten Tatsachen sich (Gesamthand-)Eigentum (mit) der Beklagten ergeben sollte, lässt sich ihren Ausführungen nicht entnehmen; ihr Vorbringen ist vor dem Hintergrund und nach dem Verständnis des nach § 31 IPRG berufenen Rechts der gelegenen Sache (Realstatut) auszulegen und zu beurteilen. Das Realstatut gilt für alle sachenrechtlichen Fragen, also etwa auch Typenzwang, Entstehung, Erwerb, Inhalt, Wirkungen, Schutz, Änderung, Übertragung und Untergang dinglicher Rechte.