OGH: Zur Angleichung der Kündigungsfristen in Saisonbetrieben
Für die Branche Hotellerie und Gastgewerbe ist in einer Gesamtbetrachtung insgesamt kein Überwiegen von Saisonbetrieben iSd § 1159 ABGB erwiesen
§ 1159 ABGB, § 53 ArbVG, § 21 KV Arbeiter im Hotel und Gastgewerbe
GZ 9 ObA 116/21f, 24.03.2022
OGH: § 1159 Abs 2 letzter S ABGB eröffnet Kollektivvertragspartnern die Möglichkeit, für Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen („Saisonbranchen“), durch KV abweichende Regelungen festzulegen. Die gesetzliche Regelungsermächtigung gilt aber nur, wenn in der Branche Saisonbetriebe überwiegen. Ist dies der Fall, werden auch Betriebe der Branche, die keine Saisonbetriebe sind, von der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragspartner umfasst. Der Gesetzgeber hat sohin eine generalisierende Betrachtung gewählt. Da für das Überwiegen von Saisonbetrieben in einer Branche keine gesetzlichen Vorgaben bestehen, ist mangels anderer Anhaltspunkte nach der allgemeinen Bedeutung des Wortes „Überwiegen“ auf ein quantitatives Überwiegen abzustellen.
Für „Saisonbetriebe“ verweist § 1159 Abs 2 letzter S ABGB auf § 53 ArbVG. Als Saisonbetriebe gelten danach „Betriebe, die ihrer Art nach nur zu bestimmten Jahreszeiten arbeiten oder die regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeiten“. Tatbestandlich sind aber auch Betriebe, die „regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeiten“, sohin auch ganzjährig geöffnete Betriebe, sofern sie diese Voraussetzungen erfüllen. Die Mat nennen beispielhaft „Tourismusbetriebe, Betriebe des Baugewerbes und anderer Saisonbetriebe gem ArbVG“.
Das Antragsvorbringen der Wirtschaftskammer Österreich reicht aber nicht aus, um für die gesamte Branche des Hotel- und Gastgewerbes von einem „Überwiegen der Saisonbetriebe“ ausgehen zu können: Der Branchenbezugsrahmen für das Überwiegen von Saisonbetrieben beschränkt sich überdies nicht auf die Beherbergung, sondern umfasst auch die Gastronomie. Da zahllose Restaurants, Gaststätten, Kaffeehäuser, Wein- oder Bierlokale, Imbissstuben, Betriebskantinen etc unabhängig von den Jahreszeiten betrieben werden und insbesondere außerhalb von Fremdenverkehrsregionen auch keine „gewissen Zeiten mit erheblich verstärkter Arbeit“ erkennen lassen, kann für die Gastronomie umso weniger von einem Überwiegen der Saisonbetriebe ausgegangen werden. Berücksichtigt man überdies, dass der Fachverband der Gastronomie insgesamt rund 60.000 Gastronomiebetriebe vertreten dürfte und dass sich die hier präsentierten Unternehmenszahlen nur auf Betriebe mit unselbständig Beschäftigten beziehen, hätten Saisonbetriebe mit den dargelegten erhöhten Personalstanderfordernissen noch einen wesentlich geringeren Anteil an der Gastronomie innerhalb der Branche. Damit ist aber mit dem dargelegten Datenmaterial für die Branche Hotellerie und Gastgewerbe in einer Gesamtbetrachtung insgesamt kein Überwiegen von Saisonbetrieben iSd § 1159 ABGB erwiesen.