OGH: Zur Auswahl der Person des Erwachsenenvertreters
Angehörige der Rechtsberufe müssen gerichtliche Erwachsenenvertretungen übernehmen, wenn kein gesetzlicher Ablehnungsgrund vorliegt; die Möglichkeit der Ablehnung gilt nur für jene Notare oder Rechtsanwälte, die nicht in die Liste der zur Übernahme von Vorsorgevollmachten und gerichtlichen Erwachsenenvertretungen besonders geeignete Notare oder Rechtsanwälte eingetragen sind
§§ 273 ff ABGB, § 10b RAO
GZ 1 Ob 41/22v, 20.04.2022
OGH: Bei der Auswahl des gerichtlichen Erwachsenenvertreters ist nach § 273 Abs 1 ABGB auf die Bedürfnisse der volljährigen Person und deren Wünsche, die Eignung des Erwachsenenvertreters und auf die zu besorgenden Angelegenheiten Bedacht zu nehmen. Zum Erwachsenenvertreter ist nach § 274 Abs 1 ABGB vorrangig mit deren Zustimmung die Person zu bestellen, die aus einer Vorsorgevollmacht, der Vereinbarung einer gewählten Erwachsenenvertretung oder einer Erwachsenenvertreter-Verfügung hervorgeht. Ist eine solche Person nicht verfügbar oder geeignet, so ist nach Abs 2 mit deren Zustimmung eine der volljährigen Person nahestehende und für die Aufgabe geeignete Person zu bestellen. Kommt auch eine solche Person nicht in Betracht, so ist nach Abs 3 ein Erwachsenenschutzverein mit dessen Zustimmung zu bestellen. Ist auch die Bestellung eines solchen nicht möglich, so ist nach Abs 4 ein Notar (Notariatskanditat) oder RA (Rechtsanwaltsanwärter) oder mit deren Zustimmung eine andere geeignete Person zu bestellen. Nach Abs 5 leg cit ist ein Notar oder RA va dann zu bestellen, wenn die Besorgung der Angelegenheiten vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert, ein Erwachsenenschutzverein va dann, wenn sonst besondere Anforderungen mit der Erwachsenenvertretung verbunden sind, wie sie sich etwa aus der sozialen Situation oder aus der psychischen Verfassung des Betroffenen ergeben können. Das Pflegschaftsgericht ist grundsätzlich an diesen gesetzlichen „Stufenbau“ gebunden, weshalb ein Abgehen davon sachlich gerechtfertigt sein muss.
Für den Fall, dass weder eine selbst gewählte oder nahestehende Person noch der Erwachsenenschutzverein zur Verfügung steht, kann bzw muss das Pflegschaftsgericht („am Ende der Prioritätenhierarchie“) auf RAe, Notare oder deren Berufsanwärter auch dann zurückgreifen, wenn nicht vorwiegend Rechtskenntnisse erforderlich sind. Angehörige dieser Rechtsberufe müssen auch nach § 275 ABGB gerichtliche Erwachsenenvertretungen grundsätzlich übernehmen, sofern nicht ein in dieser Bestimmung genannter Ablehnungsgrund vorliegt. Die Möglichkeit der Ablehnung gilt nach § 275 ABGB jedoch nur für jene Rechtsberufe, die nicht (iSd § 10b RAO) aufrecht in die von den Kammern zu führenden Listen als zur Übernahme von Vorsorgevollmachten und gerichtlichen Erwachsenenvertretungen besonders geeignete Notare oder Rechtsanwälte eingetragen sind.