VwGH: Art 28 Dublin III-VO – Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung
Die Fristen gem Art 28 Abs 3 vierter Unterabsatz. der Dublin III-VO beginnen mit der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder mit dem Zeitpunkt, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gem Art 27 Abs 3 der Dublin III-VO keine aufschiebende Wirkung mehr hat
Art 28 Dublin III-VO, § 76 FPG
GZ Ra 2021/21/0229, 05.05.2022
VwGH: Das VwG ging in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses davon aus, dass die sechswöchige Schubhafthöchstdauer mit Ablauf des 3. März 2021 geendet habe. Daraus folgt, dass es den Beginn dieser Frist offenbar mit dem Tag der Inschubhaftnahme des Mitbeteiligten am 20. Jänner 2021 ansetzte. Damit verkannte es jedoch die Rechtslage.
Art. 28 Abs 3 vierter Unterabsatz der Dublin III-VO sieht für den Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht einhält oder dass die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen iSd dritten Unterabsatzes dieser Bestimmung stattfindet, vor, dass der betroffene Fremde nicht länger in Haft angehalten werden darf.
Die Einhaltung der im zweiten Unterabsatz des Art 28 Abs 3 der Dublin III-VO für den Fall einer Anhaltung in (Schub-)Haft nach deren Art 28 Abs 1 und 2 normierten einmonatigen Frist für die Stellung des Wiederaufnahmegesuchs ist gegenständlich unstrittig. Für die Frage einer gebotenen Enthaftung des Mitbeteiligten aus der Schubhaft könnte somit nur der allfällige Ablauf der im dritten Unterabsatz dieser Bestimmung genannten, wegen der Haft verkürzten Überstellungsfrist von sechs Wochen maßgeblich sein.
Diese Frist beginnt mit der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder mit dem Zeitpunkt, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gem Art 27 Abs 3 der Dublin III-VO keine aufschiebende Wirkung mehr hat.
Im vorliegenden Fall begann die Überstellungsfrist demnach zunächst mit der ausdrücklichen Annahme des Überstellungsgesuchs durch die rumänischen Behörden am 29. Jänner 2021 zu laufen. Der Mitbeteiligte erhob gegen die Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz jedoch fristgerecht Beschwerde an das VwG, der letztlich aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Der Lauf der sechswöchigen Überstellungsfrist konnte daher im vorliegenden Fall nicht vor der Erledigung dieser Beschwerde, die mit dem Beschluss des VwG vom 8. März 2021 erfolgte, und somit dem Wegfall des hieraus folgenden Überstellungshindernisses begonnen haben. An diesem Tag wurde der Mitbeteiligte aber ohnehin enthaftet.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Begründung des VwG, die an die Überstellungsfrist anknüpfende Schubhafthöchstdauer habe bereits mit Ablauf des 3. März 2021 geendet, als nicht tragfähig, worauf das BFA in der Amtsrevision zutreffend hinweist.