14.06.2022 Zivilrecht

OGH: Zum Geschäftskreis des Verlassenschaftskurators iZm Gesellschaftsanteilen

Es besteht kein Anlass, dem Verlassenschaftskurator zu gestatten, das Schicksal der Gesellschaftsanteile des Nachlasses nach dessen Ausscheiden nachhaltig zu gestalten und damit endgültige Weichen für die Zukunft zu stellen


Schlagworte: Verlassenschaftsverfahren, Verlassenschaftskurator, Wirkungskreis, Befugnisse, ordentliche Verwaltung, GmbH-Anteil, Satzungsänderung, Genehmigung, Verlassenschaftsgericht
Gesetze:

 

§ 167 ABGB, § 258 ABGB, § 281 ABGB, § 810 ABGB, § 156 AußStrG, § 173 AußStrG

 

GZ 2 Ob 158/21f, 26.04.2022

 

OGH: Der Verlassenschaftskurator ist Vermögensverwalter und Vertreter nur der Verlassenschaft, deren Interessen er zu wahren hat. Er handelt aber materiell für den oder die späteren wahren Erben. Für seine Vertretungshandlungen ist nicht die auf die Vertretung durch die Erben (Gesamtrechtsnachfolger) zugeschnittene Regelung des § 810 ABGB einschlägig, sondern vielmehr aufgrund der Verweisung in § 281 Abs 3 ABGB iVm § 258 Abs 4 ABGB die Regelung des § 167 Abs 3 ABGB anzuwenden. Danach bedürfen Vertretungshandlungen außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs der gerichtlichen Zustimmung. Dadurch ist der Prüfmaßstab strenger, denn Handlungen des Kurators können nur dann genehmigt werden, wenn sie im Interesse der Verlassenschaft liegen, für diese also von Vorteil sind. Hingegen genügt es nicht, wenn diese Handlungen für die Verlassenschaft nur „nicht offenbar nachteilig“ sind.

 

Der Verlassenschaftskurator hat in Vertretung der Verlassenschaft die zur ordentlichen Verwaltung erforderlichen Maßnahmen und Vertretungshandlungen zu setzen. Dies umfasst grundsätzlich auch die Ausübung der Stimmrechte, die mit einem in die Verlassenschaft fallenden Geschäftsanteil verbunden sind, wobei jeweils die konkrete Maßnahme zu beurteilen ist. Ob ein Satzungsänderungsbeschluss ein außerordentliches und somit für den Verlassenschaftskurator genehmigungsbedürftiges Geschäft ist, bedarf einer Prüfung im Einzelfall, insbesondere anhand der Risiken sowie der Dauer und des Umfangs der für die Verlassenschaft entstehenden Verpflichtungen.

 

So wie dem Verlassenschaftskurator allgemein nicht zu gestatten ist, das Schicksal des Nachlasses nachhaltig zu gestalten oder endgültige Weichen für die Zukunft zu stellen, weil er dem Erben nicht vorgreifen soll, ist mit seiner vorübergehenden Verwaltung der Verlassenschaft auch die Fassung satzungsändernder Beschlüsse idR nicht vereinbar. Den Erben soll die Beteiligung in jener rechtlichen Gestaltung erhalten bleiben, wie sie der Erblasser besessen hat, und es soll auch diesen zukommen, den Inhalt der Satzung zu bestimmen. Es gehört nicht zur Aufgabe des Verlassenschaftskurators, im Rahmen der Verwaltung eines Geschäftsanteils an solchen gesellschaftsrechtlichen Vorgängen mitzuwirken, deren Zweck notwendigerweise erst zu einem Zeitpunkt eintreten wird, zu dem die Kuratel schon beendet ist.