OGH: Privathaftpflichtversicherung und zur Frage, ob sich eine Gefahr des täglichen Lebens iZm einer Alkoholisierung im Straßenverkehr verwirklicht hat
Der Sohn der Klägerin fuhr mit seinem Fahrrad stark alkoholisiert mit mindestens 1,5 ‰ und überdies ohne Licht in der Nacht trotz Vorhandenseins eines von der Fahrbahn abgegrenzten Fahrradwegs auf einer unbeleuchteten Landesstraße und schwenkte ohne Handzeichen plötzlich nach links, wodurch es zum Unfall mit der überholenden Mopedlenkerin kam; der Versicherte schuf damit eine besondere Gefahrensituation, die nicht nur eine außergewöhnliche Gefahr für ihn selbst, sondern va auch für andere Verkehrsteilnehmer mit sich brachte, ohne dass dafür die geringste Notwendigkeit bestand; eine solche Situation tritt erfahrungsgemäß auch im normalen Lebenslauf nicht immer wieder ein; im vorliegenden Fall hat sich daher keine Gefahr des täglichen Lebens verwirklicht
Art 7.1 ABWH/RV 06.2016
GZ 7 Ob 7/22p, 28.04.2022
OGH: Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. In Art 7.1 ABWH/RV 06.2016 wird eine primäre Risikoumschreibung dahin vorgenommen, dass der Risikobereich „Gefahren des täglichen Lebens“ unter Versicherungsschutz gestellt wird.
Der versicherungsrechtliche Begriff der „Gefahr des täglichen Lebens“ ist nach stRsp so auszulegen, dass davon jene Gefahren, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss, umfasst sind. Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Freilich sind damit nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten abgedeckt. Für das Vorliegen einer Gefahr des täglichen Lebens ist nicht erforderlich, dass sie geradezu täglich auftritt. Vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei Rechtswidrigkeit oder Sorglosigkeit eines Vorhabens den daraus entspringenden Gefahren noch nicht die Qualifikation als solche des täglichen Lebens nehmen. Voraussetzung für einen aus der Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadenfall ist nämlich eine Fehlleistung oder eine schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers. Allerdings hat der Fachsenat auch schon in Fällen (bloß) fahrlässiger Handlungen die Verneinung des Vorliegens einer Gefahr des täglichen Lebens durch das Berufungsgericht als nicht korrekturbedürftig erachtet (etwa 7 Ob 47/21v [Powerturn mit Motorboot]; 7 Ob 126/17f [unvorsichtige Schweißarbeiten]; 7 Ob 13/18i [Verletzung bei einer Wasserbombenschlacht]).
Der Sohn der Klägerin fuhr hier mit seinem Fahrrad stark alkoholisiert mit mindestens 1,5 ‰ und überdies ohne Licht in der Nacht trotz Vorhandenseins eines von der Fahrbahn abgegrenzten Fahrradwegs auf einer unbeleuchteten Landesstraße und schwenkte ohne Handzeichen plötzlich nach links, wodurch es zum Unfall mit der überholenden Mopedlenkerin kam. Der Versicherte schuf damit eine besondere Gefahrensituation, die nicht nur eine außergewöhnliche Gefahr für ihn selbst, sondern va auch für andere Verkehrsteilnehmer mit sich brachte, ohne dass dafür die geringste Notwendigkeit bestand. Eine solche Situation tritt erfahrungsgemäß auch im normalen Lebenslauf nicht immer wieder ein. Im vorliegenden Fall hat sich daher keine Gefahr des täglichen Lebens verwirklicht.