31.05.2022 Zivilrecht

OGH: Zur Einschränkung der Benützbarkeit von Geschäftsräumen wegen COVID-19

Umsatzeinbußen können ein Indiz für eine (teilweise) Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts sein, wenn sie unmittelbare Folge der wegen behördlicher Maßnahmen eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit des konkreten Geschäftslokals sind


Schlagworte: Mietrecht, Geschäftsraummiete, COVID-19, Pandemie, Bestandobjekt, Unbrauchbarkeit, Entfall der Mietzinszahlungspflicht, Umsatzrückgang, Reisebüro
Gesetze:

 

§ 1096 ABGB, §§ 1104 f ABGB, § 1 COVID-19-MaßnahmenG, § 7 COVID-19-SchutzmaßnahmenVO

 

GZ 3 Ob 209/21p, 24.03.2022

 

OGH: Der OGH hat bereits klargestellt, dass die infolge der COVID-19-Pandemie erlassenen behördlichen Maßnahmen einen außerordentlichen Zufall iSd §§ 1104 f ABGB begründen. Wenn die in Bestand genommene Sache wegen eines außerordentlichen Zufalls gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist nach § 1104 ABGB kein Mietzins zu entrichten. Behält der Mieter trotz eines solchen Zufalls einen beschränkten Gebrauch des Mietstücks, so wird ihm gem § 1105 ABGB ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen. Nach der bisherigen Rsp kommt es für einen allfälligen Mietzinsminderungsanspruch des Bestandnehmers eines Geschäftslokals maßgeblich darauf an, ob eine Beeinträchtigung der vertragsgemäßen Nutzung vorliegt, während ein Umsatzrückgang als solcher dafür im Allgemeinen für sich allein nicht ausreicht: So sind etwa für den Geschäftsraummieter vorhersehbare Umsatzeinbußen, die durch die Ansiedlung weiterer Konkurrenzbetriebe in der Umgebung eintreten, ohne besondere Umstände - wie etwa eine entsprechende Regelung im Bestandvertrag (Konkurrenzschutz) - kein Grund für eine Mietzinsminderung, liegt doch eine solche Situation im Bereich des Unternehmerrisikos.

 

Soweit Umsatzeinbußen des Geschäftsraummieters eine unmittelbare Folge der COVID-19-Pandemie sind, die sämtliche Unternehmer wie (auch) den Mieter des Geschäftslokals, insbesondere dessen gesamte Branche, allgemein und insgesamt treffen, sind diese dem Unternehmerrisiko zuzuordnen und daher für den zu zahlenden Mietzins nicht relevant. Lassen sich hingegen Umsatzeinbußen des Geschäftsraummieters auf behördliche Maßnahmen - hier also auf Betretungsverbote - zurückführen, so sind solche Umsatzeinbußen konkrete Folgen einer objektiven Einschränkung des vertraglich bedungenen Gebrauchs des Bestandobjekts und im Rahmen einer Mietzinsminderung zu berücksichtigen.

 

Umsatzeinbußen des Geschäftsraummieters können zwar ein Indiz dafür sein, dass eine (teilweise) Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts vorliegt, allerdings müssen diese Einbußen abgesehen von Fällen eines vertragswidrigen Verhaltens des Bestandgebers im Anwendungsbereich des § 1105 ABGB eine unmittelbare Folge der - etwa wegen behördlicher Maßnahmen - eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit des konkreten Geschäftslokals sein. Bezogen auf den vorliegenden Fall eines Reisebüros könnte daher eine Umsatzeinbuße dann beachtlich sein, wenn diese aus dem Umstand resultiert, dass Kunden das gemietete Geschäftslokal nicht betreten durften und daher nicht in Präsenz betreut werden konnten. Ohne Belang ist es dagegen, wenn Umsatzrückgänge darauf beruhen, dass Menschen wegen der gesundheitlichen Risken der Pandemie nicht reisen wollten.