17.05.2022 Verfahrensrecht

OGH: Zur Anfechtung von Zahlungen wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit (IO)

Ein Vermögensverzeichnis mit geringem Einkommen sowie Sorgepflichten und 3 Vollzugsberichte mit keinen pfändbaren Gegenständen legen auch ohne Kenntnis von anderen andrängenden Gläubigern den Schluss nahe, dass bei der Schuldnerin ein nicht bloß vorübergehender Mangel an Zahlungsmitteln, sondern Zahlungsunfähigkeit vorlag


Schlagworte: Insolvenzverfahren, Insolvenzanfechtung, Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, Vermögensverzeichnis, geringes Einkommen, Sorgepflichten, keine pfändbaren Gegenstände
Gesetze:

 

§ 31 IO, § 70 IO

 

GZ 17 Ob 4/22w, 25.03.2022

 

OGH: Der OGH hat bereits mehrmals ausgesprochen, dass der Umstand, dass ein Schuldner mit Befriedigungsexekutionen verfolgt wird, selbst wenn diese bisweilen Erfolg haben, den Schluss auf Zahlungsunfähigkeit nahelegen muss, weil ein Schuldner idR die gerichtliche Zwangsvollstreckung nicht ohne Not an sich herankommen lässt. Andererseits wurde entschieden, dass häufige Exekutionen auch ein Anzeichen einer schlechten Zahlungsmoral des Schuldners sein könnten, damit also nicht unbedingt ein Anzeichen für das Fehlen liquider Mittel sein müssten.

 

Worauf bei (zumindest bisweilen) erfolgreichen häufigen Exekutionen zu schließen ist, bedarf für den vorliegenden Fall keiner Vertiefung. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass die beklagte Gläubigerin über viele Jahre erfolglos Exekution führte, bis ihr eine Pfändung gelang. Wiederholte Exekutionsvollzüge, die am Fehlen pfändbarer Vermögensobjekte gescheitert sind, sind ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit.

 

Nach den Feststellungen ging der Beklagten das Vermögensverzeichnis der Schuldnerin aus dem Jahr 2013 zu, aus dem sich - geht man von seiner strafbewehrten Richtigkeit aus - ihre Vermögenslosigkeit und eine Pension von (nur) monatlich netto € 950 bei bestehender Unterhaltspflicht für 2 mj Kinder für die nächsten Jahre ergab. Ihr gingen ferner 3 Vollzugsberichte zu, wonach mehrmals keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden werden konnten. Dass die Beklagte Grund zur Annahme gehabt hätte, die Schuldnerin wäre lediglich zahlungsunwillig gewesen, ist aus diesem Sachverhalt nicht abzuleiten. Damit waren der Beklagten - der auch das Wissen ihrer mit der Einbringung betrauten gewillkürten Vertreter und Gehilfen (mit der Exekution beauftragte anwaltliche Vertretung und Inkassobüro) zuzurechnen ist - Umstände bekannt, die bereits für sich - auch ohne Kenntnis der Existenz anderer exekutiv andrängender Gläubiger und ohne weitere Erhebungen - nur den Schluss nahelegen konnten, dass bei der Schuldnerin ein nicht bloß vorübergehender Mangel an Zahlungsmitteln und damit Zahlungsunfähigkeit vorlag. Zutreffend hat daher das Erstgericht die Rechtsfrage bejaht, ob der Beklagten zumindest leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Wegen Erfüllung aller objektiven, subjektiven und zeitlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anfechtungsanspruch ist daher das der Klage stattgebende Ersturteil wiederherzustellen.