OGH: Zu überraschend aufgefundenen Sparbüchern
Nennt der sich identifizierende Vorleger eines nicht auf Namen lautenden Kleinbetragssparbuchs das Losungswort, so obliegt dem Kreditinstitut der Beweis, dass er nicht zur Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs berechtigt ist
§§ 31 f BWG, § 294 ABGB, § 914 ABGB
GZ 3 Ob 208/21s, 23.02.2022
OGH: Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe an den bei der Räumung der Liegenschaft aufgefundenen Kleinbetragssparbüchern auf der Grundlage des Vertrags über den Ankauf der vorhandenen Fahrnisse sachenrechtlich kein Eigentum erworben, nicht korrekturbedürftig: Nach dem Vertragsinhalt sowie dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien sollte die Klägerin die „besenreine“ Räumung des Geschäftslokals samt Nebengebäude durchführen, die von ihrem Mitarbeiter besichtigten und geschätzten Fahrnisse zum Kaufpreis von € 1.000 erwerben sowie deren Verwertung durch eine Online-Auktion vor Ort innerhalb von 4 Wochen durchführen. Einen möglichen unerwarteten Fund von Wertgegenständen im Zuge der Räumung haben die Parteien nicht besprochen und nicht geregelt.
Das Berufungsgericht verwies auf die Rsp zu überraschend nach einem Liegenschaftskauf einschließlich „Inventar“ aufgefundenen Sparbüchern, wonach auch nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zwischen Fahrnissen bzw Inventar und Geld unterschieden wird und Bargeld, Wertpapiere oder andere Pretiosen nicht zum „Inventar“ gehören. Damit steht die Auslegung des mit der Klägerin abgeschlossenen Räumungsvertrags dahin, dass zwar neben der vollständigen („besenreinen“) Räumung auch ein Kauf der vorhandenen Fahrnisse und deren Verwertung (im Rahmen einer Online-Auktion) vereinbart, davon allerdings die überraschend aufgefundenen Sparbücher nicht umfasst waren, im Einklang; eine aufzugreifende Fehlbeurteilung ist darin nicht zu erkennen.
Sparbücher, deren Guthabensstand weniger als € 15.000 beträgt, die nicht auf einen Namen lauten und mit einem Losungswort versehen sind (§ 32 Abs 4 Z 1 BWG; „Kleinbetragssparbücher“), sind Inhaberpapiere. Kleinbetragssparbücher werden grundsätzlich durch Übergabe und Mitteilung des Losungsworts ins Eigentum des Übernehmers übertragen. Das Kreditinstitut darf (gem § 32 Abs 4 Z 1 BWG) an den identifizierten (§ 6 Abs 1 Z 1 FM-GwG) Vorleger der Sparurkunde gegen Nennung des korrekten Losungsworts leisten. Nennt der sich identifizierende Vorleger eines nicht auf Namen lautenden Kleinbetragssparbuchs iSd § 31 Abs 3 BWG das Losungswort, so obliegt dem Kreditinstitut der Beweis, dass der Vorleger mangels Rechtsnachfolge oder Vollmacht nicht zur Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs berechtigt ist. Dieser Nachweis ist der beklagten Bank hier auf der Grundlage der zuvor dargestellten Vertragsauslegung gelungen.