12.04.2022 Zivilrecht

OGH: §§ 922 ff ABGB – zur Frage, ob bei einem Gebrauchtwagenkauf eine gewisse Gesamtlaufleistung im Rechtsverkehr allgemein erwartet wird und somit als zugesichert gilt

Das Berufungsgericht wies darauf hin, dass es sich beim erworbenen Fahrzeug um ein solches aus dem Niedrigpreissegment handle und dies auch Abstriche bei der Qualität mit sich bringe; wenn es darauf aufbauend die Ansicht vertrat, die Feststellungen gäben keinen (hinreichenden) Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte von einer noch verbleibenden Laufleistung des Motors in einem bestimmten Ausmaß ausgegangen und dies auch nicht konkludent zum Inhalt des Vertrags geworden sei, so bedarf dies keiner höchstgerichtlichen Korrektur


Schlagworte: Gewährleistung, Gebrauchtwagenkauf, Motorschaden, Gesamtlaufleistung, gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften
Gesetze:

 

§§ 922 ff ABGB

 

GZ 3 Ob 165/21t, 26.01.2022

 

Der Kläger kaufte bei der Beklagten, die das „Autohaus L*“ betreibt, am 6.12.2017 einen am 14.1.2016 erstzugelassenen PKW der (zum R*-Konzern gehörenden) Marke „D*“ mit einem Kilometerstand von 39.500 zu einem Preis von 11.500 EUR. Im Kaufvertragsformular wurde der mechanische Zustand des Fahrzeugs mit „Gut – Klasse 2: geringe Verschleißerscheinungen. Kein Reparaturbedarf. Kleinere Einstellarbeiten oder Inspektionen erforderlich.“ angegeben.

 

Rund neun Monate später brachte der Kläger aufgrund von Motorgeräuschen das Fahrzeug bei einem nunmehrigen Kilometerstand von 56.296 in eine Werkstätte, wo sich das Vorliegen eines schweren Motorschadens herausstellte.

 

OGH: Nach bereits vorliegender Rsp begründet eine Konstruktionsschwäche eines Motors nur dann eine Gewährleistungspflicht des Verkäufers, wenn diese bei nahezu sämtlichen Motoren des betreffenden Typs mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vor Ablauf der durchschnittlichen Lebensdauer des betreffenden Konstruktionsteils den aufgetretenen Schaden herbeiführt. Dass nach den Feststellungen die erhöhte thermische Belastung im Inneren des Motors aus dessen Konstruktion resultiert, reicht folglich allein noch nicht für die Bejahung eines gewährleistungsrechtlichen Mangels aus. Hierzu wäre überdies erforderlich, dass dieser Umstand bei nahezu sämtlichen Motoren des betreffenden Typs mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vorzeitig, also vor Ablauf der durchschnittlichen Lebensdauer zu einem Motorschaden wie im Fall des Klägers führt; solches wurde hier vom Kläger weder behauptet noch vom Erstgericht festgestellt.

 

Der OGH verneinte in 1 Ob 71/15w, dass ein neuer Motor, der nach weniger als zwei Jahren und ca 65.000 Kilometern Laufleistung – und bei regelmäßigem Service – seine Funktionsfähigkeit verliert, iSd § 922 Abs 1 Satz 2 ABGB die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat. Aus dieser Entscheidung ist für den Kläger nichts zu gewinnen, war sein Fahrzeug bei Eintritt des Motorschadens doch bereits mehr als zwei Jahre in Betrieb.

 

Beim Erwerb eines Gebrauchtwagens bei einem gewerblichen Kraftfahrzeughändler gilt im Allgemeinen die Fahrbereitschaft des Fahrzeugs und damit seine Verkehrs- und Betriebssicherheit als schlüssig zugesichert. Welche weitere Laufleistung von einem Gebrauchtwagen erwartet werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Fahrzeugtype, dem Alter und dem Kilometerstand des Fahrzeugs sowie dessen Präsentation beim Verkauf. Die Frage lässt sich damit wegen ihrer Einzelfallabhängigkeit nicht generell beantworten und ist folglich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Das Berufungsgericht wies darauf hin, dass es sich beim erworbenen Fahrzeug um ein solches aus dem Niedrigpreissegment handle und dies auch Abstriche bei der Qualität mit sich bringe. Wenn es darauf aufbauend die Ansicht vertrat, die Feststellungen gäben keinen (hinreichenden) Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte von einer noch verbleibenden Laufleistung des Motors in einem bestimmten Ausmaß ausgegangen und dies auch nicht konkludent zum Inhalt des Vertrags geworden sei, so bedarf dies keiner höchstgerichtlichen Korrektur.