OGH: Krankenhausaufenthalt der kranken Mutter und gesundem Kind – Wegfall des gemeinsamen Haushalts iSd § 2 Abs 3a FamZeitbG?
§ 2 Abs 3a FamZeitbG ist nur auf medizinisch indizierte Krankenhausaufenthalte des Kindes anzuwenden; wurde das gesunde Kind gemeinsam mit dem erkrankten Elternteil aufgenommen, ist das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts nach der generellen Regel des § 2 Abs 3 FamZeitbG zu prüfen
§ 2 FamZeitbG
GZ 10 ObS 82/21p, 25.01.2022
OGH: Gem § 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG setzt der Anspruch auf Familienbonus ua voraus, dass der Vater, das Kind und der andere Elternteil im gemeinsamen Haushalt leben. Dieser liegt gem § 2 Abs 3 FamZeitbG vor, wenn alle drei Personen in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an der selben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind.
Der OGH hat das Vorliegen einer „dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ – als Teil der Definition des gemeinsamen Haushalts gem § 2 Abs 3 FamZeitbG – bereits für Fälle bejaht, in denen eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft tatsächlich aufgenommen wird und dies in der Absicht geschieht, sie auf Dauer zu führen. Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, in denen von einem auf Dauer angelegten Zusammenleben die Rede ist.
Darüber hinaus wird nach dem – gem § 12 Abs 3 FamZeitbG auf Geburten nach dem 31. 12. 2018 anzuwendenden – § 2 Abs 3a FamZeitbG bei einem medizinisch indizierten Krankenhausaufenthalt des Kindes bei persönlicher Pflege und Betreuung des Kindes durch den Vater und den anderen Elternteil im Mindestausmaß von jeweils durchschnittlich vier Stunden täglich ausnahmsweise ein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG angenommen. Ein solcher Krankenhausaufenthalt steht dem Vorliegen einer Familienzeit gem § 2 Abs 4 FamZeitbG nicht entgegen (§ 2 Abs 3a FamZeitbG). Die Annahme eines gemeinsamen Haushalts setzt in einem solchen Fall auch die vorherige tatsächliche Aufnahme der Wohngemeinschaft mit dem Kind an der Familienwohnadresse (durch Entlassung des Kindes aus dem Geburtskrankenhaus) nicht voraus.
Soweit in einer Reihe von Entscheidungen der gemeinsame Haushalt während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind nach der Geburt verneint wurde, war der zeitliche Anwendungsbereich des § 2 Abs 3a FamZeitbG noch nicht eröffnet.
Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel daran, dass zu Beginn des Antragszeitraums – 9. 9. 2019 – ein gemeinsamer Haushalt zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und dem Kind bestand, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ihre Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an dieser Wohnadresse nicht auf Dauer ausgerichtet war. Die hauptwohnsitzliche Meldung an der Familienwohnadresse war im Verfahren nicht strittig.
Entscheidend ist hier die Beurteilung, ob der gemeinsame Haushalt während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind vom 2. 9. 2019 bis 15. 9. 2019 weiter bestand oder wegfiel.
Der OGH nahm bereits in der E 10 ObS 147/19v zu den Auswirkungen des Krankenhausaufenthalts der Mutter auf das Weiterbestehen eines gemeinsamen Haushalts iSd FamZeitbG Stellung. In dieser Entscheidung wurde ausgeführt, dass während eines zeitlich begrenzten stationären Aufenthalts zwar die tatsächliche Wohngemeinschaft der Eltern an der Familienwohnadresse aufgehoben ist, aber das für die Annahme einer „dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ wesentliche Element der Absicht, diese auf Dauer zu führen, nicht wegfällt. Ebenso wenig ist das gemeinsame Wirtschaften beendet, ändert doch ein vorübergehender Krankenhausaufenthalt nichts an der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung eines auf drei Personen ausgelegten Haushalts.
Im Fall eines unvorhersehbaren, medizinisch erforderlichen Krankenhausaufenthalts des „anderen Elternteils“ während der Familienzeit des Vaters liegt daher weiterhin ein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 1 Z 3, Abs 3 FamZeitbG vor.
Diese Erwägungen treffen auch im vorliegenden Fall zu. Der Umstand, dass sich die Ehefrau des Klägers an insgesamt zwei Tagen des Antragszeitraums nicht an der Familienwohnadresse aufhielt (am Aufnahme- und Entlassungstag fehlt es schon an der Abwesenheit von der gemeinsamen Wohnung), sondern in stationärer Spitalsbehandlung befand, ändert daher nichts am Bestehen der dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an der Familienwohnadresse iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG.
Im vorliegenden Fall ist im Weiteren zu beurteilen, ob der Umstand, dass das Kind gemeinsam mit seiner Mutter ins Krankenhaus aufgenommen wurde, den gemeinsamen Haushalt für die Dauer seiner Abwesenheit zum Erlöschen brachte.
Dazu ist zunächst klarzustellen, dass § 2 Abs 3a FamZeitbG hier nicht anzuwenden ist.
Diese Bestimmung ist nach ihrem Wortlaut nur auf medizinisch indizierte Krankenhausaufenthalte des Kindes anzuwenden, setzt also voraus, dass ein Grund für den Krankenhausaufenthalt in der Person des Kindes vorliegt.
§ 2 Abs 3a FamZeitbG trägt dem Umstand Rechnung, dass die Versorgung eines erkrankten Kindes während eines Krankenhausaufenthalts zwar typischerweise von der Krankenanstalt übernommen wird, der Zweck der Familienzeit aber dennoch erreicht werden kann, wenn die Eltern ihr Kind im Krankenhaus persönlich pflegen.
Da im vorliegenden Fall keine medizinische Indikation für den Krankenhausaufenthalt des Kindes bestand, sondern das Kind aufgenommen wurde, um das Stillen zu ermöglichen, kommt die Sonderregel des § 2 Abs 3a FamZeitbG nicht zur Anwendung. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Ehegattin des Klägers das Kind während des Krankenhausaufenthalts im Mindestmaß von durchschnittlich vier Stunden täglich pflegte und betreute.
Das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts ist vielmehr nach der generellen Regel des § 2 Abs 3 FamZeitbG zu prüfen.
Dabei kommen auch hinsichtlich des Kindes die bereits oben ausgeführten Erwägungen zum Tragen.
Auch mit dem Kind bestand ein gemeinsamer Haushalt an der Familienwohnadresse. Die durch die Erkrankung der Mutter und das nachvollziehbare Bestreben, das Stillen möglichst zu unterstützen, begründete zeitliche begrenzte Abwesenheit von der gemeinsamen Wohnung beendete die auf Dauer angelegte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, die auch von einem Willenselement der Eltern getragen ist, nicht. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass der Kläger das räumliche und persönliche Naheverhältnis der Familienmitglieder durch seine ausgedehnte Anwesenheit im Krankenhaus innerhalb der Möglichkeiten des Spitalsbetriebs aufrecht erhielt.
Der Krankenhausaufenthalt der Ehegattin des Klägers und des Kindes vom 12. 9. 2019 bis zum 15. 9. 2019 führte daher nicht zu einem Wegfall der dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen dem Vater, dem Kind und dem anderen Elternteil an der Familienwohnadresse. Da alle drei Personen an dieser Adresse unstrittig auch hauptwohnsitzlich gemeldet waren, liegt während des Antragszeitraums durchgehend ein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG vor.