22.03.2022 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur (irreführenden) Online-Werbung für einen Webshop

Der durchschnittliche Verbraucher verlässt sich darauf, dass die zu einem Unternehmen gelisteten Bewertungen auch für dieses Unternehmen abgegeben wurden


Schlagworte: Lauterkeitsrecht, irreführenden Werbung, E-commerce, Online-Werbung, Webshop, Assets, Kundenbewertungen, anwendbares Recht, Herkunftslandprinzip
Gesetze:

 

§ 2 UWG, Art 6 Rom II-VO, § 3 ECG, § 20 ECG, Art 3 RL 2000/31/EG

 

GZ 4 Ob 175/21w, 16.12.2021

 

OGH: Online-Werbung ist ein Dienst der Informationsgesellschaft iSd § 3 Z 1 ECG. Für sie gilt § 20 Abs 1 ECG, wonach sich im koordinierten Bereich (§ 3 Z 8 ECG) die rechtlichen Anforderungen an einen in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Diensteanbieter nach dem Recht dieses Staats richten (Herkunftslandprinzip). Das auf Ansprüche wegen irreführender Werbung im Internet anzuwendende Recht ist nach Art 6 Abs 1 Rom II-VO zu bestimmen. Danach ist das Recht jenes Staats anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Maßgebend ist daher, auf welchem Markt sich das beanstandete Verhalten auswirkt. Soweit das Herkunftslandprinzip der RL über den elektronischen Geschäftsverkehr anwendbar ist, darf die Anwendung dieses Rechts zu keinen strengeren Anforderungen führen, als im Recht des Staats des Diensteanbieters.

 

Im konkreten Fall ist zu beachten, dass die relevanten Normen beider Rechte (des österreichischen und des deutschen) auf einer gemeinsamen unionsrechtlichen Grundlage beruhen. Denn strittig ist das Vorliegen einer irreführenden Geschäftspraktik iSd RL über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (RL 2005/29/EG). Da diese RL nicht bloß Mindeststandards vorsieht, sondern das verbraucherschützende Lauterkeitsrecht vollständig harmonisiert, ist nicht davon auszugehen, dass das Recht des Herkunftslandes dem Diensteanbieter mehr Freiheiten gestattet als jenes des Marktorts iSd Art 6 Abs 1 Rom II-VO. Tatsächlich sind die Irreführungstatbestände des § 2 UWG und des § 5 dUWG im Wesentlichen gleichlautend. Die Anwendung des österreichischen Rechts durch die Vorinstanzen ist daher nicht zu beanstanden.

 

Die Revisionsrekurswerberin verkennt mit ihrer Behauptung, ihr Webshop gleiche ohnehin jenem der Konkursgesellschaft, dass für den Durchschnittsverbraucher die Anzahl der auf einer Bewertungsplattform für ein Unternehmen abgegebenen Bewertungen sowie der Bewertungszeitraum von maßgeblicher Bedeutung ist: Je mehr Bewertungen über einen längeren Zeitraum abgegeben wurden, desto aussagekräftiger ist das Bewertungsergebnis; außerdem wird dem Kunden durch einen längeren Bewertungszeitraum auch eine gewisse Stabilität des bewerteten Unternehmens vermittelt. Der durchschnittliche Verbraucher verlässt sich darauf, dass die zu einem Unternehmen gelisteten Bewertungen auch für dieses Unternehmen abgegeben wurden. Wenn daher das Rekursgericht die Bezugnahme der Beklagten in ihrer Eigenwerbung auf Kundenbewertungen der Insolvenzgesellschaft (deren Assets die Klägerin übernommen hat) als irreführend erachtet, so liegt darin keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung.