22.03.2022 Zivilrecht

OGH: Zur Haftung des Anlageberaters iZm Bitcoins

Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte darf ein Anlageberater davon ausgehen, dass das Bitcoin-Mining kein in Österreich illegales Glücksspiel ist


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Anlageberaterhaftung, Verschulden, subjektive Sorgfaltswidrigkeit, Veranlagung in Bitcoin, Bitcoin-Mining, illegales Glücksspiel
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, §§ 1 f GSpG, § 52 GSpG

 

GZ 5 Ob 95/21p, 22.12.2021

 

OGH: Nach den Feststellungen kannte der Beklagte die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Glücksspiels iSd GSpG nicht. Dieser Umstand allein würde die subjektive Vorwerfbarkeit eines allfälligen Verstoßes gegen dessen Strafbestimmungen freilich nicht ausschließen. An die Beurteilung von Rechtsunkenntnis und Rechtsirrtum ist vielmehr grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen, weil jedermann verpflichtet ist, sich Kenntnis von den ihn nach seinem Lebenskreis treffenden Gesetzesvorschriften zu verschaffen. Die subjektive Sorgfaltswidrigkeit ist nur zu verneinen, wenn der Beklagte auch aus dem Blickwinkel des GSpG an der Zulässigkeit des Minings nicht zweifeln konnte. Angesichts des Wortlauts der einschlägigen Gesetzesbestimmungen, der die Subsumtion des Minings unter die Begriffe Glücksspiel und Ausspielung zumindest nicht nahelegt, und mangels einschlägiger veröffentlichter Rsp dazu hängt dies ganz entscheidend von der Verwaltungspraxis ab. Das Mining von Kryptowährungen führte nach Ansicht des (damals) für die Glücksspielaufsicht zuständigen BMF zu Einkünften aus Gewerbebetrieb. Auch schon das Berufungsgericht wies daraufhin, dass sich auf der Website des BMF nur die Information finde, dass bei Mining grundsätzlich eine gewerbliche Tätigkeit vorliege, die entsprechende steuerliche Konsequenzen nach sich ziehe. Die Schaffung der Krypto-Assets werde somit nicht anders behandelt als die Herstellung sonstiger Wirtschaftsgüter. Anhaltspunkte dafür, dass die Finanzbehörden das Mining als Glücksspiel einstufen könnte, gab es demnach nicht.

 

Aufgrund welcher andere Umstände der Beklagte das Mining von Kryptowährungen mit dem österreichischen GSpG in Zusammenhang bringen hätte müssen, legt auch der Kläger nicht dar. Es gibt insbesondere keinen Hinweis darauf, dass damals diese Frage in den beteiligten Verkehrskreisen auch nur thematisiert worden wäre. Die Meinung, Mining sei ein Glücksspiel, findet sich zwar mittlerweile in der Lit. Im Zeitpunkt der Beratungs- und Vermittlungstätigkeit des Beklagten und der Investitionen des Klägers waren diese Beiträge allerdings noch nicht veröffentlicht. Die Unkenntnis dieser Überlegungen ist ihm schon deshalb nicht zum Vorwurf zu machen.

 

Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte durfte der Beklagte daher zum Zeitpunkt seiner Beratungs- und Vermittlungstätigkeit davon ausgehen, dass das Bitcoin-Mining kein in Österreich illegales Glücksspiel ist. Ein Verschulden des Beklagten als Voraussetzung für dessen Haftung aufgrund einer Schutzgesetzverletzung ist bzw wäre daher nicht gegeben. Die Frage, ob das Mining von Kryptowährungen als Glücksspiel iSd § 1 GSpG bzw als verbotene Ausspielung iSd § 2 Abs 4 GSpG zu qualifizieren ist, ist daher nicht ausschlaggebend.