VwGH: Zum Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG in Bezug auf den angelasteten Tatzeitraum
Unbedenklich ist die Tatzeitformulierung zwar hinsichtlich des Endes der Tatzeit mit "bis zumindest 31.12.2019", deren Beginn ist jedoch entgegen § 44a Z 1 VStG mit den Worten "seit ca. dem Jahre 2017" zu ungenau umschrieben, da die genannte Formulierung einen nicht unbeachtlichen Interpretationsspielraum einräumt und verschiedenste Deutungen im Hinblick auf den Beginn des vorgeworfenen Tatzeitraumes offen lässt
§ 44a VStG
GZ Ra 2020/04/0175, 20.01.2022
VwGH: Gem § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach der stRsp des VwGH hat dabei die Umschreibung der Tat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird.
Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist nach der Rsp des VwGH also dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch selbst geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Der Spruch hat daher nicht nur die Sachverhaltselemente, von denen die Zuordnung eines Tatverhaltens zu den Merkmalen des Straftatbestandes abhängt, zu bezeichnen, sondern grundsätzlich auch die Anführung des Zeitpunktes der Begehung der Tat, und, falls es sich um einen Zeitraum handelt, dessen Anfang und Ende in einer kalendermäßig eindeutig umschriebenen Art zu umfassen.
Mit der vorliegenden Umschreibung des Beginnes der angelasteten Tatzeit mit den Worten „seit ca. dem Jahre 2017“ wird das angefochtene Erkenntnis den genannten Erfordernissen nicht gerecht. Unbedenklich ist die Tatzeitformulierung zwar hinsichtlich des Endes der Tatzeit mit „bis zumindest 31.12.2019“, deren Beginn ist jedoch entgegen § 44a Z 1 VStG zu ungenau umschrieben, da die genannte Formulierung einen nicht unbeachtlichen Interpretationsspielraum einräumt und verschiedenste Deutungen im Hinblick auf den Beginn des vorgeworfenen Tatzeitraumes offen lässt. Insofern ist hinsichtlich des angelasteten Beginnes des Tatzeitraumes im gegenständlichen Fall nicht sichergestellt, dass dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Revisionswerbers entsteht und er keiner Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist. Aufgabe des VwG wäre es gewesen, anhand der ihm vorliegenden Beweisergebnisse den sich daraus (im Zweifel zu Gunsten des Revisionswerbers spätestmöglich) ergebenden Beginn des Tatzeitraumes festzustellen und diese Feststellung entsprechend zu begründen. Den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses lässt sich betreffend das Jahr 2017 nur entnehmen, dass beim zuständigen Tourismusverband im Zeitraum von „Juni bis November“ 48 Gäste mit 309 Nächtigungen gemeldet worden seien; eine Bestrafung für einen vor Juni 2017 liegenden Zeitraum ist somit von den Feststellungen des VwG nicht gedeckt. Insofern liegt jedenfalls auch ein gewisser Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des angefochtenen Erkenntnisses vor.