OGH: Zur materiellen Streitgenossenschaft iSd § 11 ZPO
Unter den Begriff der solidarischen Verpflichtung iSd § 11 Z 1 ZPO fallen alle im ABGB vorgesehenen Fälle von Solidarhaftung
§ 11 ZPO, § 93 JN
GZ 5 Ob 170/21t, 04.11.2021
OGH: Voraussetzung für den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft ist das Bestehen einer materiellen Streitgenossenschaft iSd § 11 Z 1 ZPO.
Die Stammfassung des § 11 Z 1 ZPO erfasste als materielle Streitgenossen Personen, die in Ansehung des Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund berechtigt oder verpflichtet sind. Vor der Änderung des § 11 Z 1 ZPO durch die ZVN 1983 war die Rsp zur Frage, ob jede Solidarverpflichtung ausreicht, um eine materielle Streitgenossenschaft zu begründen, nicht einheitlich.
Seit der ZVN 1983 liegt eine materielle Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO auch dann vor, wenn mehrere Personen in Ansehung des Streitgegenstands solidarisch berechtigt oder verpflichtet sind.
Nach der Erweiterung der Tatbestände des § 11 Z 1 ZPO durch die ZVN 1983 hat der OGH allerdings wiederholt klargestellt, dass nunmehr jede Solidarverpflichtung ausreicht, um eine materielle Streitgenossenschaft zu begründen. Die Rechtsgrundlage der Solidarhaftung ist gleichgültig. Wesentlich für das Vorliegen solidarischer Haftung ist vielmehr die Erfüllungsgemeinschaft der Schuldner und das Privileg des Gläubigers, auf welchen seiner Schuldner er greifen will. Es ist nicht Voraussetzung, dass die gemeinschaftliche Schuld aus demselben Rechtsgrund entstanden ist. Die Solidarschuld kann auch aus jeweils verschiedenen, bei den einzelnen Verpflichteten vorliegenden Rechtsgründen entstehen. Wesentlich ist nur das Bestehen einer Erfüllungsgemeinschaft in Ansehung desselben Schadens. Bedeutsam ist insofern somit die Identität der geschuldeten Leistung. Unter den Begriff der solidarischen Verpflichtung iSd § 11 Z 1 ZPO fallen damit alle im ABGB vorgesehenen Fälle von Solidarhaftung.