22.02.2022 Zivilrecht

OGH: Zum Lagezuschlag (iZm Infrastruktur, Grünflächen, Verkehr, Lärm, Kriminalität)

Nähere Ausführungen im Langtext


Schlagworte: Mietrecht, Mietzins, Lagezuschlag, Infrastruktur, Grünflächen, Verkehr, Vergleichswertmethode
Gesetze:

 

§ 16 MRG

 

GZ 5 Ob 209/21b, 16.12.2021

 

OGH: Die „durchschnittliche Lage“ (§ 2 Abs 3 RichtWG) ist nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen. Das gilt auch für die nach § 16 Abs 4 MRG erforderliche Beurteilung, ob die Liegenschaft, in der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die „besser“ ist als die durchschnittliche. Zur Beurteilung, ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaft als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, bedarf es eines wertenden Vergleichs mit anderen Lagen. Dabei ist dem Rechtsanwender ein gewisser Wertungs- und Ermessensspielraum eingeräumt, den die Vorinstanzen bei ihrer Beurteilung zur Berechtigung des Lagezuschlags im konkreten Fall nicht überschritten haben.

 

In fußläufiger Entfernung des Hauses im 6. Wiener Gemeindebezirk ist (nahezu) jegliche Art von Infrastruktur vorhanden (Nahversorger, Krankenhaus, Apotheken, Ärzte, Postfiliale, Banken, Kindergärten und mehrere [Volks-]Schulen). In der Umgebung gibt es mehrere kleinere Parks und den Esterházy-Park. Das Haus des Meeres ist 730 m entfernt. Die Kaufkraft ist leicht überdurchschnittlich. Es handelt sich um ein aufstrebendes Viertel in fußläufiger Entfernung zur dichten Lokalszene der Gumpendorfer Straße und sämtlichen Einkaufsmöglichkeiten der 700 m entfernten Mariahilfer Straße.

 

Die nach Ansicht der Antragstellerin unterdurchschnittliche Versorgung mit Grünflächen sah das Rekursgericht im Rahmen der in der Rsp geforderten Gesamtschau und Gewichtung der einzelnen Lagekriterien durch die Lage in einem aufstrebenden „InViertel“ als aufgewogen. Dagegen argumentiert die Antragstellerin in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs mit der Nähe zum Gürtel, der dadurch bedingten überdurchschnittlichen Belastung durch Verkehr, Abgase und Lärm sowie der vorherrschenden Kleinkriminalität („Drogen und Kriminalitätshotspot“).

 

Anders als in dem zu 5 Ob 104/21m entschiedenen Fall befindet sich das Objekt jedoch nicht in „unmittelbarer“ Gürtelnähe mit all den von der Antragstellerin aufgezählten negativen Begleiterscheinungen oder an einer sonst stark befahrenen Straße. Der Revisionsrekurs geht somit nicht von der festgestellten Lage im 6. Wiener Gemeindebezirk aus.

 

Die Vorgangsweise der Vorinstanzen bei der Ermittlung des Lagezuschlags entspricht der Rsp des Fachsenats zu den Vorgaben des § 16 Abs 3 MRG. Der Sachverständige, dessen Beurteilung die Vorinstanzen ihrer Entscheidung zugrundelegten, griff aufgrund der Unmöglichkeit, unbebaute Vergleichsobjekte in der Umgebung des Bestandobjekts zu finden, im Rahmen der Vergleichswertmethode auf Transaktionsdaten von vier (unbebauten) Liegenschaften zurück, die er zum Stichtag Mai 2016 aufgrund der im Gutachten dargestellten Preisentwicklung valorisierte. Der Rückgriff auf unbebaute Liegenschaften entspricht der Rsp. Die Antragstellerin vermag in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs nicht aufzuzeigen, inwieweit diese dem Tatsachenbereich zuzuordnende und damit der Überprüfung durch den OGH entzogene Methode des Sachverständigen sich außerhalb der in Gesetz und Rsp enthaltenen Kriterien bewegt.