22.02.2022 Zivilrecht

OGH: Zur Rückforderung des Geleisteten nach Einstellung der Exekution

Dem Verpflichteten, der aufgrund eines gem § 39 Abs 1 Z 1 EO nachträglich für ungültig erkannten, aufgehobenen oder sonst für unwirksam erklärten Exekutionstitel geleistet hat, steht ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch zu


Schlagworte: Bereicherungsrecht, Exekutionsverfahren, Einstellung, Wiedereinsetzung, ao Revision, Wegfall des Titels, Rückforderung des Geleisteten, Bereicherungsanspruch, condictio causa finita
Gesetze:

 

§ 1435 ABGB, § 39 EO, § 146 ZPO

 

GZ 5 Ob 90/21b, 30.11.2021

 

OGH: Gem § 39 Abs 1 Z 1 EO ist die Exekution unter gleichzeitiger Aufhebung aller bis dahin vollzogener Exekutionsakte einzustellen, wenn der ihr zugrunde liegende Exekutionstitel durch rechtskräftige Entscheidung für ungültig erkannt, aufgehoben oder sonst für unwirksam erklärt wurde. Die „gleichzeitige Aufhebung aller bis dahin vollzogenen Exekutionsakte“ nach § 39 Abs 1 EO führt aber nicht dazu, dass der Drittschuldner in Beachtung der Forderungsexekution schon ausbezahlte Beträge wieder zurückfordern muss oder dass etwa die betreibende Partei diese Beträge im Zug des Exekutionsverfahrens zurückerstatten muss. Dem Verpflichteten, der aufgrund eines gem § 39 Abs 1 Z 1 EO nachträglich für ungültig erkannten, aufgehobenen oder sonst für unwirksam erklärten Exekutionstitel geleistet hat, steht vielmehr idR ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch zu.

 

§ 1435 ABGB wird als Grundlage für die Anerkennung eines Rückforderungsanspruchs wegen Wegfalls des Grundes und Nichteintritts des erwarteten Erfolgs verstanden. Er greift nicht nur bei Wegfall des Geschäftszwecks ein, sondern allgemein bei Wegfall jener Umstände, die nach Interessenabwägung und nach dem Sinn des Geschäfts die Grundlage der Leistung bildeten. Unter § 1435 ABGB sind demnach der Wegfall der Schuld, der Wegfall einer sonstigen Leistungsgrundlage oder der Nichteintritt einer erwarteten Entwicklung zu subsumieren. Davon ausgehend hat der OGH dem Verpflichteten im Fall des nachträglichen Wegfalls eines vollstreckbaren, in der Folge aber mit ao Revision erfolgreich bekämpften Urteils einen Rückforderungsanspruch nach § 1435 ABGB zuerkannt. Im Fall einer ao Revision fallen die Vollstreckbarkeit und Rechtskraft des Urteils nicht zusammen. In diesem Fall bestehen der materiell-rechtliche, klageweise geltend gemachte Anspruch und die vollstreckbare, noch nicht rechtskräftig festgestellte Judikatschuld aufgrund des Berufungsurteils bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Klageanspruch bzw Aufhebung des Berufungsurteils durch den OGH nebeneinander. Zahlung der Judikatschuld während des Schwebezustands führt somit nicht sofort zu einer Tilgung des materiell-rechtlichen Anspruchs. Hebt der OGH die Entscheidung der Vorinstanzen auf, steht dem Leistenden noch vor Abschluss des fortzusetzenden Verfahrens ein Rückforderungsanspruch nach § 1435 ABGB zu, weil der Grund der Bezahlung, nämlich das vollstreckbare Urteil, nachträglich weggefallen ist. Diese Rsp ist daher auf andere Fälle der Beseitigung des Exekutionstitels iSd § 39 Abs 1 Z 1 EO zu übertragen. Das gilt jedenfalls auch für den hier zu beurteilenden Fall der Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruchs gegen einen Zahlungsbefehl.