22.02.2022 Zivilrecht

OGH: Zur Schuldtilgung im Exekutionsverfahren

Behauptet der Verpflichtete das Bestehen eines Rückforderungsanspruchs einer Zahlung, so ist diese bloß vorläufig geleistet und nicht als Erfüllung der Verbindlichkeit anzusehen; dies gilt auch bei exekutiv hereingebrachten Beträgen


Schlagworte: Schuld, Tilgung, Zahlung, Erfüllung, Exekutionsverfahren, Einstellung, Wiedereinsetzung, ao Revision, Wegfall des Titels, außergerichtliche Aufrechnung, Kompensation
Gesetze:

 

§ 1412 ABGB, § 1435 ABGB, § 39 EO, § 146 ZPO

 

GZ 5 Ob 90/21b, 30.11.2021

 

OGH: Die außergerichtliche Aufrechnung wird unbedingt und ohne Rücksicht auf den Bestand der Hauptforderung erklärt. Sie setzt die Anerkennung der Hauptforderung voraus und stellt ihr nur die Gegenbehauptung entgegen, dass sie wegen Schuldtilgung nicht mehr bestehe. Hingegen ist die prozessuale Aufrechnungseinrede eine bedingte Erklärung, die erst und nur für den Fall wirksam wird, dass das Gericht den Bestand der Hauptforderung bejaht und bei der die Tilgungswirkung erst mit der Rechtskraft der Entscheidung eintritt. Die verfahrensrechtliche Besonderheit der Prozessaufrechnung ist darin gelegen, dass die Urteilsvollstreckung ausnahmsweise bereits in das Titelverfahren einbezogen wird, weil der Beklagte für den Fall, dass der vom Kläger angestrebte Leistungsbefehl in Ansehung seiner Klageforderung zu erlassen wäre, dessen Durchsetzung auf den Befriedigungsgegenstand seiner Gegenforderung beschränkt und gleichzeitig auch vollzogen wissen will.

 

Der Beklagte hat sich in diesem Prozess weder auf eine bereits vollzogene außergerichtliche Aufrechnung gestützt noch seine ursprünglich erhobene prozessuale Aufrechnungseinrede aufrecht erhalten. Er steht in seiner Revision selbst auf dem Standpunkt, dass eine außergerichtliche Aufrechnung die Anerkennung der Forderung des Klägers vorausgesetzt hätte. Zugleich verweist er darauf, dass er seine ursprüngliche (prozessuale) Aufrechnungseinrede fallen gelassen habe. Sein Einwand der Schuldtilgung bezog und bezieht sich vielmehr auf die Behauptung, die in der Drittschuldnerexekution hereingebrachten Beträge hätten seine Schuld unmittelbar getilgt.

 

Eine solche schuldtilgende Wirkung ist aber zu verneinen: Gem § 1412 ABGB wird die Verbindlichkeit vorzüglich durch Zahlung, das ist durch die Leistung dessen, was man zu leisten schuldig ist, aufgelöst. Die Erfüllung erfordert grundsätzlich nur die Herbeiführung des Leistungserfolgs durch eine Leistungshandlung, die der geschuldeten entspricht. Aus der Zahlung darf aber noch nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass damit die Forderung des Gläubigers jedenfalls zum Erlöschen gebracht wird. Der Schuldner ist nämlich nicht bloß verpflichtet, dem Gläubiger den geschuldeten Betrag in irgendeiner Weise - und sei es bloß auch nur vorübergehend - zu leisten, sondern er hat ihm die den Schuldinhalt bildende Leistung endgültig zu verschaffen. Aus diesem Grund ist im - hier vorliegenden - Fall der Behauptung und des Bestehens eines Rückforderungsanspruchs eine Zahlung idS bloß vorläufig geleistet und nicht als Erfüllung der Verbindlichkeit anzusehen. Dies gilt konsequenterweise auch bei exekutiv hereingebrachten Beträgen.