OGH: Zur Haftung des Abschlussprüfers (Bank)
§ 275 Abs 2 UGB iVm § 62a BWG schützt primär die Gesellschaft; daraus ist im Fall der Fahrlässigkeit des Abschlussprüfers eine vorrangige Befriedigung von Ansprüchen der geprüften Gesellschaft im Rahmen der Haftungsbeschränkung abzuleiten
§§ 1295 ff ABGB, § 1311 ABGB, § 275 UGB, § 62a BWG
GZ 1 Ob 185/21v, 16.11.2021
OGH: § 275 Abs 2 UGB verpflichtet den Abschlussprüfer einer prüfpflichtigen Gesellschaft, gewissenhaft und unparteiisch zu prüfen. Verletzt er diese Pflicht - vorsätzlich oder fahrlässig - und entsteht der Gesellschaft daraus ein Schaden, ist er zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet. Eine Besonderheit der Abschlussprüferhaftung ist, dass diese nur bei vorsätzlichen Prüffehlern sowie einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder des Verwertungsverbots unbeschränkt ist. Für fahrlässige Prüffehler enthält § 275 Abs 2 UGB gestaffelte Haftungshöchstsummen, die sich an der Größe der geprüften Gesellschaft orientieren. Diese Regelung gilt auch für Bankprüfer, wobei § 62a BWG abweichende Haftungshöchstsummen, gestaffelt nach der Höhe der Bilanzsumme des jeweiligen Kreditinstituts, vorsieht. Nach hA wirkt § 275 UGB über die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers als (eigentliches) Schutzgesetz (nur) zu Gunsten jener Gesellschaft, die ihn bestellt hat, jedoch entfaltet der Vertrag zwischen dem Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft auch Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter, die den Kreis der potentiellen Gläubiger der Gesellschaft umfassen. Stellt ein Abschlussprüfer schuldhaft einen unrichtigen Bestätigungsvermerk aus, kann er Dritten, die im Vertrauen auf die Verlässlichkeit dieses Bestätigungsvermerks disponiert haben und dadurch einen Schaden erleiden, ersatzpflichtig werden. Bei Schadenersatzansprüchen geschädigter Dritter, die die Haftungsgrenzen des § 275 Abs 2 UGB übersteigen, hat eine Aufteilung nach dem Prioritätsprinzip zu erfolgen.
Zur Aufteilung der Haftungshöchstsummen nach § 275 Abs 2 UGB und § 62a BWG zwischen der geprüften Gesellschaft und geschädigten Dritten wird überwiegend vertreten, dass der geprüften Gesellschaft ein Vorrang gegenüber geschädigten Dritten zukomme, wobei die Anwendung der betraglichen Grenzen auch auf Dritte unumgänglich sei. Begründet wird dies ua damit, dass der Abschlussprüfer primär im Auftrag und zum Schutz der prüfpflichtigen Gesellschaft tätig wird. Der durch die Rechtsfortbildung entwickelte zusätzliche Schutz Dritter könne keinesfalls zu einer Aushöhlung des Haftungsanspruchs der prüfpflichtigen Gesellschaft führen; vielmehr sei eine gewisse Bevorzugung der Gesellschaft und verbundener Unternehmen gesetzlich indiziert.
§ 275 Abs 2 UGB iVm § 62a BWG ist primär als Haftungsnorm gegenüber der geprüften Gesellschaft konzipiert. Nach der überwiegenden Ansicht in der Lit ist aus dem Wortlaut des § 275 Abs 2 UGB (iVm § 62a BWB) und dem primären Zweck der Abschlussprüfung, die Gesellschaft zu schützen, im Fall der Fahrlässigkeit des Abschlussprüfers eine vorrangige Befriedigung von Ansprüchen der geprüften Gesellschaft im Rahmen der Haftungsbeschränkung abzuleiten.