25.01.2022 Zivilrecht

OGH: Zum Lagezuschlag

Mit dem Hinweis auf die „gute Infrastruktur“ verweist der Mietvertrag auf alle den Wohnwert des Hauses beeinflussenden Lagefaktoren


Schlagworte: Mietrecht, Richtwert, Lagezuschlag, Innenstadt, Wien, überdurchschnittliche Lage, verbale Umschreibung der Umstände, Infrastruktur, Verkehrsanbindung
Gesetze:

 

§ 16 MRG, § 2 RichtWG

 

GZ 5 Ob 100/21y, 07.10.2021

 

OGH: Gem § 16 Abs 4 MRG ist ein Lagezuschlag nur dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage (§ 2 Abs 3 RichtWG) und wenn die für den Lagezuschlag maßgebenden Umstände dem Mieter in Schriftform bis spätestens bei Zustandekommen des Mietvertrags ausdrücklich bekanntgegeben worden sind. An die Bekanntgabeobliegenheit nach § 16 Abs 4 MRG ist kein allzu strenger Maßstab anzulegen, die schlagwortartige Umschreibung der die Lage beeinflussenden Faktoren genügt.

 

Der weite Begriff „Infrastruktur“ umfasst nicht nur die Verkehrsanbindung (öffentlicher und Individualverkehr) und die Versorgung mit Geschäften des täglichen Bedarfs, sondern auch Bildungs- und Fürsorgeeinrichtungen, Gesundheitsversorgung, kulturelles Angebot, Sport- und Freizeitanlagen, Parks, Grünflächen und Gewässer. Mit dem - in der Praxis häufig verwendeten - Hinweis auf die gute Infrastruktur verweist der Mietvertrag auf alle diese den Wohnwert des Hauses beeinflussenden Lagefaktoren. Die Verwendung eines Sammelbegriffs dafür schadet nach der Rsp nicht. Dem durchschnittlichen Mieter muss vielmehr mangels Einschränkung klar sein, dass der Vermieter die Berechtigung des Lagezuschlags aus all jenen Kriterien ableiten möchte, die nach allgemeinem Verständnis von diesem Überbegriff umfasst sind.

 

Die durchschnittliche Lage ist nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen. Zur Beurteilung, ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaften als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, bedarf es des wertenden Vergleichs mit anderen Lagen (Wohnumgebungen). In Wien ist als Referenzgebiet für die Beurteilung der Durchschnittlichkeit der Lage eines Hauses nicht regelhaft maximal der jeweilige Gemeindebezirk heranzuziehen, sondern es ist auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und (daher) ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet bilden. Maßgeblich für die Beurteilung „nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens“ sind unterschiedliche Faktoren, so etwa die Standorteigenschaften wie die Erschließung der Wohnumgebung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Nahversorgungsmöglichkeiten. Geschäfte des täglichen Bedarfs in unmittelbarer Umgebung und die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz durch U-Bahn sowie Straßenbahnstationen in erreichbarer Nähe sind im dicht verbauten Stadtgebiet zu erwarten und können für sich alleine eine überdurchschnittliche Lage nicht zwangsläufig rechtfertigen.