OGH: Zur „strenge Wiederherstellungsklausel“ bei der Feuerversicherung
Die Rechtsansicht, dass mangels bindender Wiederherstellungsaufträge in Bezug auf die Gebäudeerrichtung keine fristgerechte Sicherstellung der Wiederherstellung erfolgt sei, ist nicht korrekturbedürftig
Art 9 AFB 2002
GZ 7 Ob 162/21f, 18.10.2021
OGH: Die „strenge Wiederherstellungsklausel“ in Art 9 der AFB 2002 stellt eine Risikobegrenzung dar. Sie bedeutet, dass zunächst im Versicherungsfall nur ein Anspruch auf den Zeitwert entsteht und der Restanspruch auf den Neuwert von der Wiederherstellung oder deren (fristgerechter) Sicherung abhängt. Die Vorlage von Kostenvoranschlägen, Absichtserklärungen des VN, die bloße Planung oder eine bloße behelfsmäßige Reparatur sind für die Sicherung der Wiederherstellung nicht ausreichend. Die Wiederherstellungsklausel impliziert ein Gleichartigkeits- und ein Gleichwertigkeitsgebot, sodass Sachen gleicher Zweckbestimmung, Art und Güte wiederhergestellt oder wiederbeschafft werden müssen. Zweck der strengen Wiederherstellungsklausel ist die Begrenzung des subjektiven Risikos, das entstünde, wenn der VN die Entschädigungssumme für frei bestimmbare Zwecke verwenden könnte.
Hier ging das Berufungsgericht ohnehin nicht davon aus, dass nach der konkreten Bedingungslage zusätzlich zu einer Sicherstellung des Wiederaufbaus die tatsächliche Wiederherstellung bzw Wiederbeschaffung innerhalb von 3 Jahren ab Eintritt des Schadensereignisses erfolgen müsse. Es verneinte vielmehr auch die fristgerechte Sicherstellung der Wiederherstellung des abgebrannten Sägewerks: Der VN beabsichtigte nach dem Brand die Errichtung zweier anstelle ursprünglich einer Halle und eine Umstellung seines Betriebs dahin, das Holz nunmehr künstlich in einer neu zu schaffenden Kühlanlage trocknen zu lassen statt es wie vor dem Brand naturzutrocknen. Er erteilte entsprechende Aufträge über Zimmermanns-, Installations- und Elektroinstallationsarbeiten. Kurz vor Ablauf der dreijährigen Frist beauftragte er als „rechtsverbindlich und unwiderruflich“ weiters ein Unternehmen mit der Errichtung einer Bergehalle 30 m und einer Bergehalle 24 m sowie ein zweites Unternehmen mit dem „Rohbau für Neubau Bergehalle und Neubau Überdachung - Baumeisterarbeiten“. Das zweite Unternehmen informierte er bereits im Vorfeld darüber, dass er „irgendeinen Auftrag“ für die Versicherung benötige. Weder der Kläger noch die Vertreter der beiden Unternehmen gingen von rechtsverbindlichen und unwiderruflichen Aufträgen aus; es lag kein übereinstimmender Wille des Klägers und der Vertreter der Unternehmen vor, die darin angeführten Leistungen tatsächlich zu erbringen. Kurz nach Ablauf der Dreijahresfrist änderte der Kläger die gegenüber den beiden Unternehmen erteilten Aufträge inhaltlich und reduzierte die Auftragssummen erheblich. Wenn die Vorinstanzen davon ausgingen, dass schon mangels bindender Wiederherstellungsaufträge in Bezug auf die Gebäudeerrichtung an sich keine fristgerechte Sicherstellung der Wiederherstellung erfolgt sei, ist dies nicht korrekturbedürftig.