14.12.2021 Zivilrecht

OGH: Zur Kausalität bei „summierten Einwirkungen“

Bei der Schadensverursachung durch summierte Einwirkungen bedarf es jeder (Teil-)Ursache, um den (gesamten) Schaden herbeizuführen; soweit die Anteile nicht feststellbar sind, kommt es zur Aufteilung des Schadens 1 : 1


Schlagworte: Schadenersatzrecht, alternative Kausalität, kumulative Kausalität, conditio sine qua non, Zufall, Anlageschaden, summierten Einwirkungen, Schadensteilung
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, § 1302 ABGB, § 1311 ABGB

 

GZ 1 Ob 126/21t, 12.10.2021

 

OGH: Bei „kumulativer Kausalität“ sind zwei reale Ursachen gleichzeitig wirksam geworden; jede Ursache hätte zudem den Schaden auch für sich allein herbeigeführt. Von „alternativer Kausalität“ spricht man, wenn (nur) erweislich ist, dass jede von mehreren möglichen (weil konkret gefährlichen) Handlungen für sich den (ganzen) Schaden herbeigeführt haben könnte und nur eine von diesen in Frage kommenden Ursachen den Schaden tatsächlich (allein) verursacht hat, aber nicht geklärt werden kann, welche dieser Ursachen sich real verwirklicht hat. Von wesentlicher Bedeutung für die Lösung des vorliegenden Rechtsstreits ist, dass es hier weder um einen Fall der sog „kumulativen“ noch der „alternativen“ Kausalität (des Verhaltens mehrerer - zumindest potenzieller - Schädiger) geht, sondern „summierte Einwirkungen“ vorliegen, bei denen zuerst zu prüfen ist, wem welche Ursache schadensrechtlich zuzurechnen ist. Als „summierte Einwirkungen“ wird eine Konstellation beschrieben, in der mehrere Ursachen (nicht für sich, sondern nur) gemeinsam (im „Zusammenwirken“) den „ganzen“ Schaden verursacht haben.

 

Der Aufklärbarkeit des Anteils am Schaden in Bezug auf eine einzelne Ursache sind häufig Grenzen gesetzt. Derartige Probleme stellen sich auch bei „kumulativer Kausalität“ und jedenfalls bei „alternativer Kausalität“ (die ja überhaupt nur vorliegt, wenn sich nicht klären lässt, welche Ursache sich tatsächlich verwirklicht hat). Einigkeit herrscht für die alternative Kausaliät dahin, dass, wenn die fraglichen Ursachen auf (jeweils) sorgfaltswidriges und schuldhaftes Handeln mehrerer Dritter (potenzielle Schädiger) zurückzuführen sind, jeder von ihnen (und nicht der Geschädigte) das Unaufklärbarkeitsrisiko (welcher der Schädiger tatsächlich kausal für den Schaden geworden ist) tragen soll und sie daher für den (gesamten) Schaden solidarisch haften (analoge Anwendung des § 1302 ABGB).

 

Stehen einander hingegen das Verhalten eines Schädigers und ein vom Geschädigten zu tragender Zufall (oder sogar ihm als Obliegenheitsverletzung anzulastende Umstände) als „alternativ“ oder „kumulativ“ kausal gegenüber, kommt es zur Aufteilung des Schadens 1 : 1, soweit die Anteile nicht feststellbar sind. Dies gilt auch für die - wertungsmäßig gleichzuhaltende - Schadensverursachung durch summierte Einwirkungen, bedarf es bei summierten Einwirkungen doch jeder (Teil-)Ursache iSe conditio sine qua non, um den (gesamten) Schaden herbeizuführen; schon bei Wegfall einer der Ursachen entstünde der (Gesamt-)Schaden nicht. Diese Grundsätze sind also auch im vorliegenden Fall heranzuziehen, in dem feststeht, dass ohne beide (Teil-)Ursachen gemeinsam eine krankheitswertige Störung gar nicht entstanden wäre und die Beklagte als Schädigerin für eine dieser Ursachen mangels Zurechnung nicht zu haften hat.