OGH: § 105 AußStrG – Befragung Minderjähriger (iZm Obsorgeübertragung)
Der Wille des Kindes kann nicht allein den Ausschlag geben; vielmehr ist er als Verfahrensergebnis in eine alle maßgebenden Umstände berücksichtigende Entscheidung einzubeziehen
§ 105 AußStrG, § 181 ABGB, § 211 ABGB
GZ 3 Ob 122/ 21v, 01.09.2021
OGH: Die persönliche Anhörung des Kindes nach § 105 AußStrG soll diesem eine unbeeinflusste Meinungsäußerung (hier) zur Obsorgefrage ermöglichen. Der Wunsch der Minderjährigen ist bei der Obsorgezuteilung zu berücksichtigen, wobei einem mündigen Kind nicht gegen seinen Willen die Erziehung durch einen Elternteil aufgezwungen werden soll. Der Wille des Kindes kann aber auch nicht allein den Ausschlag geben. Vielmehr ist er als Verfahrensergebnis in eine alle maßgebenden Umstände berücksichtigende Entscheidung einzubeziehen.
Die Vorinstanzen haben diese Grundsätze berücksichtigt. Dabei haben sie darauf Bedacht genommen, dass sich die Mutter gegen den Willen der Minderjährigen nicht durchsetzen kann und ihre Entscheidung, nicht in die Schule zu gehen, akzeptiert und dadurch die für die geistige und seelische Entwicklung schädliche Einstellung und Verhaltensweise des Kindes sogar fördert. Demgegenüber wird im Rahmen der Wohngemeinschaft die Verweigerung des Schulbesuchs nicht einfach hingenommen, sondern besteht das Bemühen, im Rahmen des Projekts „Extended Soulspace“ für die Minderjährige eine geeignete Unterrichtsform zu finden. Davon ausgehend bewegt sich auch die Beurteilung der Vorinstanzen, dass dem Wunsch des Kindes durch regelmäßige Aufenthalte im Haushalt der Mutter über die Wochenenden angemessen Rechnung getragen wird, innerhalb des ihnen zukommenden Ermessensspielraums.