OGH: Zur Verletzung eines Kindes an Spielgeräten im Kindergarten
Das, was der Erzeuger eines Spielgeräts verabsäumt hat, muss nicht ohne weiteres auch ein Versäumnis dessen darstellen, der bei der Ausstattung eines Spielplatzes auf ein durchaus übliches Spielgerät eines Fachunternehmens zurückgreift
§§ 1295 ff ABGB, § 1313a ABGB
GZ 6 Ob 84/21b, 06.08.2021
OGH: Bei der Zurechnung selbständiger Unternehmer nach § 1313a ABGB kommt es besonders auf den konkreten Inhalt des Vertrags zwischen dem Geschäftsherrn und dessen Gläubiger und die dabei übernommenen Sorgfaltspflichten an; es ist also entsprechend den verschiedenen Vertragstypen und der jeweiligen konkreten Vereinbarung zu prüfen, ob bloß der „Einkauf“ eines „Produktes“ am Markt oder die Gestaltung einer Leistung mit vom Schuldner betrauten „Gehilfen“ übernommen wird. So haftet etwa ein Gastwirt nicht für Fehler des Installationsunternehmens im Rahmen von Lieferung und Montage eines in einer Toilettenanlage montierten Waschbeckens, weil diese Vorbereitungsarbeiten weder einen Teil der Erfüllungshandlungen gegenüber dem Gast darstellen noch damit in einem engen Zusammenhang stehen. Auch im vorliegenden Fall hat die Beklagte das Spielgerät bei einem Fachunternehmen lediglich zugekauft und von der Nebenintervenientin montieren lassen. Daher haftet sie nicht für die nicht normgerechte Herstellung des Spielgeräts.
Verkehrssicherungspflichten treffen nicht nur denjenigen, der eine Gefahrenquelle schafft, sondern auch denjenigen, der eine Gefahrenquelle in seiner Sphäre bestehen lässt. Voraussetzung jeder Verkehrssicherungspflicht ist, dass die Möglichkeit der Verletzung von Rechtsgütern Dritter - jeweils im Einzelfall - bei objektiver sachkundiger Betrachtung zu erkennen ist und die Gefahr durch zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann. Auch vertragliche Verkehrssicherungspflichten dürfen nicht überspannt werden; es sind nur jene Maßnahmen zu ergreifen, die nach der Verkehrsauffassung verlangt werden können. Ein darüber hinausgehendes Verlangen würde die Verkehrssicherungspflicht überspannen und letzten Endes auf eine vom Gesetz nicht vorgesehene, vom Verschulden unabhängige Haftung hinauslaufen. Das, was der Erzeuger eines Spielgeräts verabsäumt, muss nicht ohne weiteres auch ein Versäumnis dessen darstellen, der bei der Ausstattung eines Spielplatzes auf ein durchaus übliches Spielgerät eines Fachunternehmens zurückgreift.
Vorliegend wurde das Spielgerät 2003 aufgestellt; seither kam es bis zum gegenständlichen Vorfall offenbar zu keinerlei Unfällen. Das Gerät wurde wöchentlich einer optischen Kontrolle unterzogen. Erst im Verfahren im Wege eines SV-Gutachtens ist hervorgekommen, dass die Ausführung der Stufen nicht normgerecht war. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte keine Herstellerpflichten trafen, hat die Beklagte eine von der unterschiedlichen Stufenhöhe ausgehende Gefahr nicht erkennen können und müssen, weshalb ihr gemessen an der Sorgfalt eines sorgfältigen Kindergartenbetreibers kein Sorgfaltsverstoß anzulasten ist.