27.10.2021 Zivilrecht

OGH: Zur Benützungsregelung iSd § 17 WEG (hier: allein nutzbarer Stiegenaufgang durch Dachgeschosswohungseigentümer)

Im Hinblick auf den fehlenden Bedarf der übrigen Wohnungseigentümer an der hinter der Geländertür liegenden Fläche bedarf die Auffassung des Berufungsgerichts keiner Korrektur, jedenfalls liege keine unbillige Nutzungseinschränkung vor; der Umstand allein, dass die Beklagte für die Nutzung dieses ihr exklusiv zugewiesenen Bereichs kein gesondertes Entgelt zu entrichten hat, reicht dafür nicht aus


Schlagworte: Wohnungseigentumsrecht, Benützungsregelung, Stiegenaufgang, Geländertür, Dachgeschosswohnung, verschließbar, versperrbar, rechtsunwirksame Vereinbarungen
Gesetze:

 

§ 17 WEG, § 38 WEG

 

GZ 5 Ob 135/21w, 30.08.2021

 

Die Streitteile sind jeweils Miteigentümer einer Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum, der Kläger an den Wohnungen Top G7 und Top F7. Die Beklagte ist Wohnungseigentümerin der Wohnung Top G9, einer Dachgeschosswohnung, zu der ein Stiegenaufgang führt. Der Bauträger hatte dort – wie auch in sieben anderen Dachgeschossobjekten – eine Geländertür vorgesehen, die auch in der Bau- und Ausstattungsbeschreibung aufschien. Laut Punkt VII lit c des Wohnungseigentumsvertrags dürfen alle faktisch allein nutzbaren und zugänglichen Zugangsbereiche ab der ersten verschließbaren Tür von den jeweiligen Wohnungseigentümern allein benützt werden.

 

OGH: Gem § 17 Abs 1 WEG können sämtliche Wohnungseigentümer schriftlich eine Vereinbarung über die Benützung der verfügbaren allgemeinen Teile der Liegenschaft treffen. Eine Benützungsvereinbarung, die die Miteigentümer bindet, kann auch in gleichlautenden Kauf- und Wohnungseigentumsverträgen getroffen werden. Die in derartigen Summenverträgen getätigte Zusage an die Wohnungseigentumsbewerber ist als einstimmige Benutzungsvereinbarung wirksam und innerhalb der allgemeinen Grenzen des § 38 WEG zulässig. Dass Punkt VII lit c des Wohnungseigentumsvertrags als schriftliche Benutzungsvereinbarung in diesem Sinn zu werten ist, ziehen die Revisionswerber nicht in Zweifel. Strittig ist nur deren Auslegung.

 

Das Berufungsgericht legte seiner Beurteilung den Wortlaut der Benützungsregelung zugrunde und vertrat die Auffassung, das Wort „verschließbar“ bedeute nicht zwingend, dass es sich um eine für Dritte unüberwindbar versperrte Tür handeln müsse. Tatsächlich besteht auch nach allgemeinem Sprachgebrauch ein Unterschied zwischen den Worten „verschließbar“ und „versperrbar“. Nach den Feststellungen rastet die Geländertür ein, was nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Berufungsgerichts das Kriterium der Verschließbarkeit erfüllt. Dafür spricht va das Argument, dass im Wohnungseigentumsvertrag in Punkt VII lit c gesondert von Portalen und Eingangstüren die Rede ist, sodass völlig unklar bliebe, welche andere „verschließbare Tür“ dieser Vertragspunkt sonst meinen hätte sollen. Nach der gebotenen objektiven Auslegung des Wohnungseigentumsvertrags ist davon auszugehen, die Nutzung der hinter der (durch Einrasten) verschließbaren Geländertür gelegenen Fläche sei nur für den Wohnungseigentümer der jeweiligen Dachgeschosswohnung zulässig, liegt daher nahe. Von einem notwendig allgemeinen Teil, der die Verfügbarkeit für Zwecke einer Benützungsregelung ausschließen würde, kann keine Rede sein, weil die Geländertür nach den Feststellungen nicht etwa Fluchtweg für Eigentümer oder Mieter aus den unteren Stockwerken ist, sondern ein Fluchtweg nur von oben nach unten verläuft, weshalb sich – folgerichtig – die Geländertür nur dadurch öffnen lässt, dass man den Knauf von innen (also vom Bereich hinter der Tür) nach unten drückt. Eine Öffnung der Tür von der von der Allgemeinheit zu nutzenden Seite aus ist nur möglich, wenn man über die Tür greift. Abgesehen davon, dass die Behauptung, die anderen Miteigentümer wollten die Aussicht vom Stiegenhaus des Dachgeschosses aus genießen, eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung ist, würde auch dies den Stiegenaufgang nicht zum notwendig allgemeinen Teil machen und an dem vom Berufungsgericht gewonnenen Auslegungsergebnis nichts ändern.

 

Rechtsunwirksam sind gem § 38 Abs 1 WEG 2002 Vereinbarungen und Vorbehalte, die geeignet sind, die dem Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungs- oder Verfügungsrechte aufzuheben oder unbillig zu beschränken. Beschränkungen, die ein Wohnungseigentümer oder Wohnungseigentumsbewerber auch bei Gleichgewicht der Vertragslage auf sich genommen hätte, die also einer vernünftigen umfassenden Interessenabwägung entsprechen, sind nicht unbillig iSd Generalklausel des § 38 Abs 1 WEG. Der Wohnungseigentumsbewerber hat zu beweisen, dass eine konkrete Vereinbarung unter die Generalklausel fällt. Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentumsbewerber und Wohnungseigentümer untereinander sind nur dann nach § 38 WEG zu beurteilen, wenn es sich um Spätwirkungen der Vertragsübermacht des Wohnungseigentumsorganisators handeln sollte.

 

An diesen Grundsätzen hat sich das Berufungsgericht orientiert, das selbst für den Fall, dass der Abschluss des Wohnungseigentumsvertrags noch vom Wohnungseigentumsorganisator unter Ausnutzung von Vertragsübermacht veranlasst worden wäre, keine unbillige Beeinträchtigung der Rechte der übrigen erkennen konnte. Dies ist im Einzelfall nicht zu beanstanden. Die Benutzungsvereinbarung regelte die alleinige Nutzung durch den jeweiligen Wohnungseigentümer der Dachgeschosswohnung hinter der verschließbaren Geländertür gleichermaßen für alle sieben Dachgeschossobjekte. Dass diese zwischen den Wohnungseigentumsbewerbern selbst vereinbarte exklusive Nutzung dieses (geringen) Teils allgemeiner Flächen, die die übrigen Wohnungseigentümer nach den Feststellungen nicht benötigen, das Ergebnis der Vertragsübermacht der Wohnungseigentumsorganisatorin gewesen wäre, wurde weder behauptet noch ist das aus den Feststellungen ersichtlich. Im Hinblick auf den fehlenden Bedarf der übrigen Wohnungseigentümer an der hinter der Geländertür liegenden Fläche bedarf auch die Auffassung des Berufungsgerichts keiner Korrektur, jedenfalls liege keine unbillige Nutzungseinschränkung vor. Der Umstand allein, dass die Beklagte für die Nutzung dieses ihr exklusiv zugewiesenen Bereichs kein gesondertes Entgelt zu entrichten hat, reicht dafür nicht aus.

 

Einer der Spezialtatbestände des § 38 Abs 1 Z 1–5 WEG liegt bei einer solchen Benutzungsvereinbarung nicht vor, dies wurde auch nicht behauptet.