28.09.2021 Zivilrecht

OGH: § 1307 ABGB (hier: Sturz eines Betrunkenen auf einer Treppe in einem Lokal)

Hier erkannte der eine Alkoholisierung von zumindest 1,2 Promille aufweisende Kläger nicht, dass es sich bei der von ihm benützten, erkennbar am oberen Ende mit einem Gitter abgesperrten – aus verschiedenen Gründen nicht verkehrssicheren – Treppe nicht um den Ausgang aus dem Lokal handelte, sodass er wieder hinabsteigen musste und dabei stürzte; die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe sich „sorglos der infolge seiner Alkoholisierung absehbaren Gefahr eines Sturzes auf der Treppe aus[gesetzt]“, sodass ihn ein Mitverschulden treffe, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rsp; dass es sich bei Alkoholisierung um ein erkennbares Gefahrenmoment handelt, das die Benützung einer Treppe gefährlich macht, und dass folglich bei Alkoholisierung bereits das Betreten einer Treppe eine vermeidbare Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten begründen kann, geht auch aus der vom Kläger in der Revision genannten E 1 Ob 174/19y hervor; ob der Kläger noch erkennen konnte, dass ein Verlassen des Lokals über diese Treppe nicht möglich ist, oder ob dies ihm alkoholbedingt nicht mehr möglich war, ist aufgrund der Bestimmung des § 1307 ABGB ohne Bedeutung


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Zurechnungsunfähigkeit, Alkoholisierung, Sturz eines Betrunkenen auf einer Treppe in einem Lokal, Mitverschulden
Gesetze:

 

§ 1307 ABGB, §§ 1295 ff ABGB, § 1304 ABGB

 

GZ 8 Ob 22/21z, 30.04.2021

 

OGH: Die Bestimmung des § 1307 ABGB, wonach der im Zustand der Sinnesverwirrung verursachte Schaden dem als Verschulden zuzurechnen ist, der sich aus eigenem Verschulden in diesen Zustand versetzt hat, muss auch auf den Geschädigten selbst angewendet werden, der in diesem Zustand den ihm zugefügten Schaden mitverursacht hat. Dabei misst die Rsp der Vorhersehbarkeit der Gefahrensituation durch den Geschädigten Bedeutung zu, so etwa, dass der sich Betrinkende wusste, dass er sich im betrunkenen Zustand immer sehr lästig und gewalttätig verhält und daher Gefahr läuft, aus dem Wirtshaus geschmissen zu werden (vgl 8 Ob 200/64 – Schädigung durch Lungenentzündung des nach dem Rausschmiss vor dem Wirtshaus in der Kälte liegengelassenen Betrunkenen); oder dass er vorsehen konnte, später von einem Mitfeiernden nach Hause gefahren zu werden, dann aber alkoholbedingt nicht mehr im Stande zu sein, dessen Fahrtauglichkeit zu überprüfen; oder dass nahelag, dass er im betrunkenen Zustand selbst ein Fahrzeug lenken wird (vgl 8 Ob 281/71: Geschädigter blieb nach einem durch Trunkenheit selbstverschuldeten Sturz vom Moped betrunken auf der Fahrbahn liegen und wurde einige Minuten später von einem PKW überrollt).

 

Hier erkannte der eine Alkoholisierung von zumindest 1,2 Promille aufweisende Kläger nicht, dass es sich bei der von ihm benützten, erkennbar am oberen Ende mit einem Gitter abgesperrten – aus verschiedenen Gründen nicht verkehrssicheren – Treppe nicht um den Ausgang aus dem Lokal handelte, sodass er wieder hinabsteigen musste und dabei stürzte. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe sich „sorglos der infolge seiner Alkoholisierung absehbaren Gefahr eines Sturzes auf der Treppe aus[gesetzt]“, sodass ihn ein Mitverschulden treffe, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rsp. Dass es sich bei Alkoholisierung um ein erkennbares Gefahrenmoment handelt, das die Benützung einer Treppe gefährlich macht, und dass folglich bei Alkoholisierung bereits das Betreten einer Treppe eine vermeidbare Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten begründen kann, geht auch aus der vom Kläger in der Revision genannten E 1 Ob 174/19y hervor. Ob der Kläger noch erkennen konnte, dass ein Verlassen des Lokals über diese Treppe nicht möglich ist, oder ob dies ihm alkoholbedingt nicht mehr möglich war, ist aufgrund der Bestimmung des § 1307 ABGB ohne Bedeutung.

 

Fragen der Verschuldensteilung sind im Allgemeinen – von korrekturbedürftigen Fehlbeurteilungen abgesehen – grundsätzlich nicht revisionsfähig. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, das auf eine Mitverschuldensquote von 2 : 1 zu Lasten des Beklagten erkannte, wird in der Revision des Klägers nicht zur Darstellung gebracht.