22.09.2021 Zivilrecht

OGH: Zur konkludenten Vertragsübernahme (Mietvertrag)

Gerade die Kenntnis des Vermieters davon, dass jemand mit dem Willen des Mieters in der Wohnung wohnt, ist eher ein Hindernis für die Annahme, die Zinszahlung durch den Mitbewohner erfolge zwecks Begründung eigener Rechte und Pflichten


Schlagworte: Mietvertrag, Abschluss, Stillschweigen, Schlüssigkeit, Konkludenz, Grund zu zweifeln, Mietzahlungen, Zinszahlungen, Dritter, Bewohner, Vertragsübernahme
Gesetze:

 

§ 863 ABGB, § 1094 ABGB

 

GZ 5 Ob 96/21k, 27.07.2021

 

OGH: Ein Vertragsabschluss aufgrund konkludenten Verhaltens setzt voraus, dass trotz Anlegung eines strengen Maßstabs kein vernünftiger Grund übrig sein darf daran zu zweifeln, dass beide Vertragsteile den Willen hatten diese Rechtsfolge herbeizuführen. Auch bei einem konkludenten Mietvertragsabschluss muss die Parteiabsicht vorliegen, die bindenden Wirkungen eines Bestandvertrags begründen zu wollen. Die unbeanstandete Annahme eines Entgelts für die Benutzung von Räumen durch längere Zeit kann nur dann als stillschweigender Abschluss eines Mietvertrags angesehen werden, wenn kein anderer Grund für die Zahlung in Frage kommt.

 

Die Zurückhaltung der Rsp, im Fall der unbeanstandeten Annahme eines regelmäßig bezahlten Entgelts für die dem anderen eingeräumte Benutzung von Räumen den konkludenten Abschluss eines Mietvertrags anzunehmen, beruht darauf, dass der Vermieter grundsätzlich gezwungen ist, Mietzinszahlungen auch von Dritten anzunehmen. Ist nach den Umständen des Einzelfalls für den Benutzer der Wohnung klar erkennbar, dass ein Vertragswille der Gegenseite in Richtung konkludenter Vertragsabschluss nicht vorliegt, ist ein solcher selbst bei unbeanstandeter Annahme von Zahlungen zu verneinen. Grundsätzlich legt § 863 ABGB für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen einen strengen Maßstab an. Gerade die Kenntnis des Vermieters davon, dass jemand mit dem Willen des Mieters in der Wohnung wohnt, ist eher ein Hindernis für die Annahme, die Zinszahlung durch den Mitbewohner erfolge zwecks Begründung eigener Rechte und Pflichten.

 

Die Vertragsübernahme, die bewirkt, dass der Vertragsübernehmer an die Stelle einer aus dem Schuldverhältnis ausscheidenden Partei tritt und deren gesamte vertragliche Rechtsstellung übernimmt, ohne dass dadurch der Inhalt oder die rechtliche Identität des bisherigen Schuldverhältnisses verändert werden, bedarf der Übereinkunft aller Beteiligten, somit der Zustimmung der verbleibenden, der ausscheidenden und der an ihre Stelle tretenden Partei. Auch sie kann nur unter den strengen Anforderungen des § 863 ABGB schlüssig erteilt werden.