OGH: Zum Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen
Durch die Verwendung eines im österreichischen Recht iZm Versicherungsverträgen nicht auffindbaren Begriff wird es dem VN erschwert, sich über die anzuwendenden konkreten gesetzlichen Bestimmungen und seine Rechte zu informieren
§ 165a VersVG, § 5 VersVG
GZ 7 Ob 87/21a, 23.06.2021
OGH: Die Einräumung einer längeren Rücktrittsfrist schadet ebenso wenig wie das Abhängigmachen des Beginns des Fristenlaufs vom Zugang von bestimmten Urkunden, wenn diese klar erkennbar ohnehin spätestens mit der Polizze zugestellt werden, sodass sich die unrichtige Belehrung auf den Beginn des Fristenlaufs nicht auswirkt und daher keine Zweifel beim VN entstehen können.
Der Versicherer ging hier von Kunden mit Sitz in Deutschland und Österreich aus und nahm, soweit eine „einheitliche“ Rechtsbelehrung erfolgte, diese mit aus dem deutschen Recht stammenden Begriffen vor. Der Begriff „Verbraucherinformation“ ist im österreichischen Recht nicht konkret definiert, sodass der VN keine Klarheit darüber hat, ob und wann er alle Informationen erhalten hat, die die Rücktrittsfrist auslösen sollen, selbst wenn sie spätestens mit der Polizze übersandt würden, was hier mit „zeitnah zur Unterfertigung des Antrags“ ohnehin nicht feststeht. Darüber, dass der Fristbeginn das Zustandekommen des Vertrags ist, wurde der Kläger nicht informiert.
Das VersVG kennt für die Vertragsauflösungserklärung ohne Grund nur den Begriff „Rücktritt“, nicht hingegen „Widerspruch“. Der Widerspruch des VN nach § 5 VersVG (bei Abweichen der Versicherungspolizze vom Antrag oder den getroffenen Vereinbarungen) ist im wörtlichen Sinn ein „Widerspruch“, hat aber keinen Zusammenhang mit dem Rücktrittsrecht nach § 165a Abs 1 Satz 1 VersVG (aF). Durch die Verwendung eines im österreichischen Recht im vorliegenden Zusammenhang nicht auffindbaren Begriff wird es dem VN erschwert, sich über die anzuwendenden konkreten gesetzlichen Bestimmungen und seine Rechte zu informieren. Dies führt zu einem unbefristeten Rücktrittsrecht des VN.