OGH: Zu offenkundigen Dienstbarkeiten
Woraus sich die Offenkundigkeit für den Erwerber ergibt bzw aus welchen Umständen sich für diesen die Pflicht (und die Tiefe) von Nachforschungen ergibt, hat derjenige zu behaupten und zu beweisen, der sich auf das Bestehen der Servitut beruft
§§ 480 f ABGB, § 1463 ABGB, § 1500 ABGB
GZ 4 Ob 59/21m, 27.05.2021
OGH: Von nicht verbücherten ersessenen oder vertraglich vereinbarten Servituten unbelasteter Erwerb von Grundstücken iSd § 1500 ABGB ist nur möglich, wenn keine Umstände vorliegen, die bei gehöriger Aufmerksamkeit den wahren, vom Grundbuchstand abweichenden Sachverhalt erkennen lassen; bei Offenkundigkeit der Dienstbarkeit ist Gutgläubigkeit zu verneinen.
Zur „Offenkundigkeit“ einer im Grundbuch nicht eingetragenen Servitut und allenfalls bestehenden Nachforschungspflichten bestehen bereits durch eine Vielzahl von höchstgerichtlichen Entscheidungen gefestigte Leitlinien: Für die Offenkundigkeit einer Dienstbarkeit ist wesentlich, ob man - vom dienenden Grundstück aus betrachtet - bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrnehmen kann, die das Bestehen einer (bestimmten) Dienstbarkeit vermuten lassen. Bedenken über die Vollständigkeit des Grundbuchstandes können sich aus der Natur ergeben, wenn Spuren auf dem Grundstück oder sichtbare Anlagen oder sonstige Einrichtungen vorgefunden werden, die ihrem Zweck nach das Dienen des Grundstücks offenkundig erkennen und daher das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen. Dann müssen auch Nachforschungen vorgenommen werden.
Woraus sich die Offenkundigkeit für den Erwerber ergibt bzw aus welchen Umständen sich für diesen die Pflicht (und die Tiefe) von Nachforschungen ergibt, hat derjenige zu behaupten und zu beweisen, der sich auf das Bestehen der Servitut beruft. In der Beantwortung von Fragen zum Bestehen und zum Umfang der Nachforschungspflicht liegt wegen ihrer Einzelfallbezogenheit idR nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn dem Berufungsgericht eine klare Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die einer Korrektur durch den OGH bedarf.