03.08.2021 Zivilrecht

OGH: Zur Betriebshaftpflichtversicherung

Die Deckungspflicht für den Anspruch auf entgangenen Gewinn ist grundsätzlich zu bejahen


Schlagworte: Versicherungsvertragsrecht, Betriebshaftpflichtversicherung, Gewährleistungsrechte, Erfüllungssurrogate, Deckungsausschluss, Mangelsuchkosten, entgangener Gewinn
Gesetze:

 

Art 7 AHVB, Abschnitt A Z 2 EHVB

 

GZ 7 Ob 51/21g, 23.06.2021

 

OGH: Nach Art 7.1 AHVB fallen unter die Versicherung nicht: Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel (Art 7.1.1) sowie die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung (Art 7.1.3). Dieser Ausschluss entspricht dem Grundsatz der Haftpflichtversicherung, das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer zu übertragen, sodass unter die Versicherung weder die Erfüllung noch Erfüllungssurrogate fallen. Als Erfüllungssurrogat werden jene Schadenersatzansprüche bezeichnet, durch die ein unmittelbares Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand eines abgeschlossenen Vertrags geltend gemacht wird. Ausgeschlossen sind diejenigen Schadenersatzansprüche, die auf das Vertragsinteresse gerichtet sind, den Gläubiger also in den Genuss der ordnungsgemäßen Leistung bringen sollen. Der Versicherungsschutz umfasst nur jenen Schaden, der über das Erfüllungsinteresse des Dritten an der Leistung des VN hinausgeht. Die Kosten für die vom Dritten vorgenommene Verbesserung der mangelhaften Leistung des VN fallen daher nicht in die Betriebshaftpflichtversicherung. Unter „Ansprüche aus der Gewährleistung für Mängel“ fallen nicht nur die Kosten der Behebung des Mangels an sich, sondern auch der vorbereitenden Maßnahmen, die zur Mängelbehebung erforderlich sind.

 

Die hier von der Abnehmerin der mangelhaften Pflanzen zur Minimierung allfälliger Umsatzeinbußen gesetzten Schadensminderungsmaßnahmen stehen iZm den neuen, die mangelhaften Produkte ersetzenden Pflanzen. Bei den dafür aufgewendeten Kosten handelt es sich somit weder um nutzlose Herstellungskosten noch um Nachbesserungskosten, weil keine Nachbesserungsarbeiten am Endprodukt (ausgewachsene Pflanze samt Früchten) gesetzt wurden, sondern um Erfüllungssurrogate. Auch die Fehlersuchkosten stellten nicht versicherte Kosten der vorbereitenden Maßnahmen, die zur Mängelbehebung erforderlich sind, dar.

 

Anders verhält es sich aber mit dem entgangenen Gewinn: Nach Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.2.2 EHVB ersetzt der Versicherer den weiters aus der Unveräußerlichkeit des Endprodukts entstehenden Vermögensnachteil. Führt die Mangelhaftigkeit des gelieferten Produkts zur Unveräußerlichkeit des Endprodukts so ersetzt der Versicherer den weiteren Vermögensnachteil durch entgangenen Gewinn. Der durchschnittlich verständige VN, der für die Gemüseproduktion bestimmte Jungpflanzen veräußert, wird die gegenständliche Bestimmung nicht dahin verstehen, dass nur ein auch tatsächlich zustande gekommenes Endprodukt unveräußerlich ist. Vielmehr wird er der Klausel schon wegen der vergleichbaren Zielrichtung so verstehen, dass auch bei einer aufgrund der Mangelhaftigkeit der gelieferten Jungpflanzen gar nicht entstandenen fruchttragenden Pflanze Unveräußerlichkeit des Endprodukts gegeben ist. Einen ihm gegenüber dafür geltend gemachten entgangenen Gewinn wird er der hier geregelten Schadensposition unterstellen. Die Deckungspflicht für den Anspruch auf entgangenen Gewinn ist daher grundsätzlich zu bejahen.