20.07.2021 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, an welchen Maßstäben eine laesio-enormis-Prüfung eines frei vereinbarten Rechtsanwaltshonorars zu erfolgen hat

Das Berufungsgericht hat der Beklagten entgegengehalten, dass sie weder Vorbringen noch Beweisanbote dafür erstattet hat, dass der Marktpreis für die vom Kläger erbrachten Leistungen mehr als 50 % unter dessen Rechnungsbeträgen läge; allein aus der in § 10 Z 4 lit a RATG normierten Bemessungsgrundlage in Ehesachen lasse sich hier nicht auf das Vorliegen einer Verkürzung über die Hälfte schließen, zumal eine von der Bemessungsgrundlage grundsätzlich unabhängige Stundensatzvereinbarung zulässig sei und die Komplexität eines Scheidungsverfahrens auch von dem zu verteilenden (hier beträchtlichen) Ehevermögen abhänge; dieser Beurteilung setzt die Revisionswerberin inhaltlich nichts entgegen


Schlagworte: Rechtsanwaltshonorar, Vereinbarung, laesio enormis, Bewertungsmaßstab, Beweislast, Scheidungsverfahren
Gesetze:

 

§ 934 ABGB, § 16 RAO, § 2 RATG, §§ 1002 ff ABGB, § 1152 ABGB, § 10 RATG

 

GZ 8 Ob 52/21m, 26.05.2021

 

OGH: Der OGH hat bereits klargestellt, dass (auch) anwaltliche Honorarvereinbarungen wegen laesio enormis (§ 934 ABGB) anfechtbar sind.

 

Die Frage, ob laesio enormis vorliegt, betrifft grundsätzlich einen Einzelfall.

 

Der „gemeine Wert“ iSd § 934 ABGB lässt sich gem § 305 ABGB mit jenem Nutzen gleichsetzen, den die Sache mit Rücksicht auf Zeit und Ort gewöhnlich und allgemein leistet. Dies ist in erster Linie der Marktpreis, also das marktübliche Entgelt. Auch für Anwaltsleistungen ist ein Entgelt ermittelbar, welches sich unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Bedachtnahme auf ähnliche Fälle als üblich erweist. Die Behauptung der Beklagten, eine laesio-enormis-Prüfung sei in Ermangelung konkreter Bewertungsmaßstäbe nicht möglich, ist daher nicht richtig.

 

Nach den allgemeinen Regeln über die Beweislastverteilung trifft für die Verkürzung den „Verkürzten“ die Beweislast. Zur schlüssigen Geltendmachung der Anfechtung des Vertrags wegen laesio enormis bedarf es daher konkreter Behauptungen und Beweisanbote, die eine nachvollziehbare Bewertung der beiderseitigen Leistungen ermöglichen. Die bloße Behauptung, dass Leistung und Gegenleistung in einem auffallenden Missverhältnis stünden bzw dass die Voraussetzungen des § 934 ABGB gegeben seien, reicht nicht aus.

 

Das Berufungsgericht hat der Beklagten entgegengehalten, dass sie weder Vorbringen noch Beweisanbote dafür erstattet hat, dass der Marktpreis für die vom Kläger erbrachten Leistungen mehr als 50 % unter dessen Rechnungsbeträgen läge. Allein aus der in § 10 Z 4 lit a RATG normierten Bemessungsgrundlage in Ehesachen lasse sich hier nicht auf das Vorliegen einer Verkürzung über die Hälfte schließen, zumal eine von der Bemessungsgrundlage grundsätzlich unabhängige Stundensatzvereinbarung zulässig sei und die Komplexität eines Scheidungsverfahrens auch von dem zu verteilenden (hier beträchtlichen) Ehevermögen abhänge.

 

Dieser Beurteilung setzt die Revisionswerberin inhaltlich nichts entgegen. Ergänzend ist festzuhalten, dass schon nach § 10 Z 4 RATG der Streitwert der mit Streitigkeiten nach lit a verbundenen vermögensrechtlichen Ansprüche hinzuzurechnen ist, sodass der dort genannte Betrag kein absoluter ist. Mit dem bloßen Verweis auf diese Tarifbestimmung und die zwischen den Parteien vereinbarte Bemessungsgrundlage von 100.000 EUR für sämtliche mit der Scheidung im Zusammenhang stehende Verfahren bringt die Beklagte daher noch keine Verkürzung über die Hälfte zur Darstellung.