29.06.2021 Zivilrecht

OGH: Recht des Grundstückseigentümers und Schikaneeinwand (iZm Errichtung einer Steinschlichtung entlang der Grundstücksgrenze)

Im Rahmen seiner Interessensabwägung hat das Berufungsgericht insbesondere berücksichtigt, dass die von den Beklagten errichtete Steinschlichtung zur Grundstücksgrenze einen Abstand von 19 bis 66 cm aufweist und sich damit zur Gänze auf ihrem Grundstück befindet; zwar seien – aus Sicht des Grundstücks der Beklagten – hinter der Mauer und vor der Geländekante in dem auch am Grundstück des Klägers angelegten Pfad, der sich entlang der gesamten Grenze erstreckt, lose im Erdreich eingebettete Steine vorhanden, die teilweise in das Grundstück des Klägers hineinragen, damit sei jedoch kein Nachteil für diesen verbunden; da diese Steine der Festigung des Erdreichs an der Geländekante dienen, würden sie gerade auch dem Grundstück des Klägers nützen; dem hält der Kläger eine Vielzahl von Entscheidungen des OGH entgegen, in welchen – je nach Sachlage – dem Einwand des Rechtsmissbrauchs (der Schikane) Berechtigung zuerkannt worden war oder nicht, ohne jedoch auf die Argumentation des Berufungsgerichts oder die besonderen Umstände des hier zu beurteilenden Falls auch nur im Ansatz einzugehen; er kann damit kein Überschreiten des diesem bei der Abwägung der beiderseits verfolgten Interessen eingeräumten Ermessens aufzeigen


Schlagworte: Nachbarrecht, Überbau, Grundstücksgrenze, Steinschlichtung, Interessenabwägung, Rechtsmissbrauch
Gesetze:

 

§ 1295 ABGB, § 354 ABGB, § 418 ABGB

 

GZ 1 Ob 50/21s, 18.05.2021

 

OGH: Das Recht des Grundstückseigentümers wird durch das Verbot der schikanösen Rechtsausübung beschränkt. Rechtsmissbrauch (Schikane) ist nicht erst anzunehmen, wenn demjenigen, der sein Recht ausübt, jedes andere Interesse abgesprochen werden muss als jenes, dem Anderen Schaden zuzufügen, sondern bereits dann, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung augenscheinlich im Vordergrund steht und daher andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten, oder wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen Teils ein krasses Missverhältnis besteht. Bei einem geringfügigen Grenzüberbau kann der Schikaneeinwand des Bauführers etwa berechtigt sein, wenn eine Verhaltensweise des Grundnachbarn vorliegt, die weit überwiegend auf eine Schädigung des Bauführers abzielt, und die Wahrung und Verfolgung der sich aus der Freiheit des Eigentums ergebenden Rechte deutlich in den Hintergrund tritt.

 

Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist jeweils aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Deren Würdigung im Lichte der Leitlinien der Rsp des OGH wirft nur dann eine erhebliche Rechtsfrage gem § 502 Abs 1 ZPO auf, wenn dem angefochtenen Urteil insofern eine zu korrigierende Fehlbeurteilung anhaften sollte. Das ist hier nicht der Fall.

 

Im Rahmen seiner Interessensabwägung hat das Berufungsgericht insbesondere berücksichtigt, dass die von den Beklagten errichtete Steinschlichtung zur Grundstücksgrenze einen Abstand von 19 bis 66 cm aufweist und sich damit zur Gänze auf ihrem Grundstück befindet. Zwar seien – aus Sicht des Grundstücks der Beklagten – hinter der Mauer und vor der Geländekante in dem auch am Grundstück des Klägers angelegten Pfad, der sich entlang der gesamten Grenze erstreckt, lose im Erdreich eingebettete Steine vorhanden, die teilweise in das Grundstück des Klägers hineinragen, damit sei jedoch kein Nachteil für diesen verbunden. Da diese Steine der Festigung des Erdreichs an der Geländekante dienen, würden sie gerade auch dem Grundstück des Klägers nützen. Dem hält der Kläger eine Vielzahl von Entscheidungen des OGH entgegen, in welchen – je nach Sachlage – dem Einwand des Rechtsmissbrauchs (der Schikane) Berechtigung zuerkannt worden war oder nicht, ohne jedoch auf die Argumentation des Berufungsgerichts oder die besonderen Umstände des hier zu beurteilenden Falls auch nur im Ansatz einzugehen. Er kann damit kein Überschreiten des diesem bei der Abwägung der beiderseits verfolgten Interessen eingeräumten Ermessens aufzeigen.

 

Richtig ist, dass bei der Beurteilung des Schikaneeinwands der „subjektiven Seite“ des Bauführers erhebliche Bedeutung zukommt. In der Entscheidung zu 7 Ob 593/94 wertete der OGH im Fall eines bewusst rechtswidrigen Vorgehens die eigenmächtige Aneignung einer Fläche vom 1,1 m² als Fehlhandlung des Bauführers, die nicht dem Schikaneverbot unterliegt. Darauf verwies der 1. Senat in der vom Kläger zur Stützung seines Standpunkts zitierten Entscheidung zu 1 Ob 239/08s. Dieser lag zugrunde, dass sich der Nachbar von Beginn der Bauführung an (vehement) gegen die Inanspruchnahme seines Grundstücks zur Wehr gesetzt hat und keine Anhaltspunkte dafür gegeben waren, dass der Kanalbau ohne die Benützung seines Grundstücks nicht möglich gewesen wäre, und der Bauführer die Verletzung des Eigentumsrechts seines Nachbarn bewusst in Kauf genommen hat. Dass den Beklagten ein solches Verhalten anzulasten wäre, behauptet der Kläger aber nicht, sondern rechnet über die Gesamtlänge der gemeinsamen Grundstücksgrenze das vom Erstgericht festgestellte Ausmaß, wie weit einzelne der am Pfad befindlichen Steine in sein Grundstück hineinragen, hoch und gelangt derart zu einer Gesamtfläche, die – so offensichtlich sein Rechtsstandpunkt – dem Einwand des Rechtsmissbrauchs jedenfalls entgegenstehen müsse. Damit wiederholt er seine bereits in der Berufung vorgetragene Argumentation, der aber bereits das Gericht zweiter Instanz zutreffend entgegengehalten hat, dass es sich lediglich um lose, unverbundene Steine und nicht um eine geschlossene Fläche handelt. Hinzu kommt, dass über einen langen Zeitraum weder der Kläger selbst noch sein Rechtsvorgänger die Lage der Steine beanstandeten. Zum Thema wurde diese erst im Zuge von nachbarrechtlichen Streitigkeiten, die letztlich (auch) auf Abgrabungen des Klägers an der Grundstücksgrenze zurückzuführen waren, sodass er mit dem bloßen Hinweis auf die von ihm errechnete Gesamtfläche nicht aufzeigen kann, dass die vom Berufungsgericht vorgenommene Interessensabwägung einer Korrektur durch den OGH bedürfte. Dass er durch den „Überbau“ auch nicht ansatzweise einen Nachteil erleidet, wie das Berufungsgericht ausführte, legt der Kläger erkennbar selbst zugrunde, wenn er gar keinen (auch künftigen) Vorteil aus der Entfernung der Steine geltend macht. Ein solcher ist nach der Sachlage auch nicht zu erkennen.