OGH: Zu Mobbing und Bossing
Ob Mobbing bzw Bossing vorliegt, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab
§ 17 PTSG, § 43a BDG, § 1157 ABGB, §§ 1295 ff ABGB, § 1 AHG
GZ 1 Ob 39/21y, 21.04.2021
OGH: Für Mobbing bzw Bossing ist ein systematisches, ausgrenzendes und prozesshaftes Geschehen über einen längeren Zeitraum, etwa durch systematische Verweigerung jeder Anerkennung, Isolation, Zurückhaltung von Informationen oder Rufschädigung typisch, wobei es darauf ankommt, ob die vom Vorgesetzten gesetzten Maßnahmen objektiv geeignet waren, beim Untergebenen einen Effekt des Verdrängens aus dem Arbeitsverhältnis - der hier aber gar nicht eingetreten ist - zu bewirken, auch wenn darauf nicht abgezielt wurde. Ob Mobbing bzw Bossing vorliegt, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab.
Dass die Vorinstanzen einen solchen Vorwurf im vorliegenden Fall verneint haben, begründet keine Fehlbeurteilung, die einer Korrektur durch den OGH bedürfte. Hier wird das behauptete Mobbing bzw Bossing aus einer Organisationsänderung der Österreichischen Post AG abgeleitet, in deren Rahmen sämtliche Zusteller (jedenfalls solche mit fixen Zustellrayons) im neuen Gleitzeitmodell tätig werden sollten. Jene Zusteller, die - wie der Kläger - nicht in das neue Arbeitszeitsystem wechseln wollten, wurden aus der Zustellung abgezogen (wobei sie zunächst noch als „Springer“ ohne fixen Rayon eingesetzt wurden), womit nach Ansicht des Klägers eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verbunden gewesen sei. Nach den Feststellungen erfolgte dies aus „betriebswirtschaftlichen Gründen“. Diese bestanden darin, dass Mitarbeiter mit (der neuen Betriebsvereinbarung entsprechender) Gleitzeitregelung aufgrund der „im Jahresverlauf stark schwankenden Zustellmengen“ besser als Zusteller einsetzbar waren, als jene mit einer fixen Dienstzeit. Dies deutet darauf hin, dass es der Beklagten gerade nicht auf eine systematische Herabsetzung und Ausgrenzung des Klägers (oder jener Mitarbeiter, die nicht in das neue Gleitzeitmodell wechseln wollten) ankam, was sich auch aus der Feststellung ergibt, dass es sich beim „Abzug der Mitarbeiter aus der Zustellung“ um keine „Retorsionsmaßnahme“ handelte. Damit hält sich die Ansicht der Vorinstanzen, wonach die vom Kläger kritisierten dienstrechtlichen Maßnahmen nicht als Mobbing bzw Bossing anzusehen seien, im Rahmen des bei dieser Beurteilung bestehenden Entscheidungsspielraums.
Soweit der Revisionswerber behauptet, insoweit Opfer eines „individuellen“ Mobbings bzw Bossings geworden zu sein, als seine Krankenstände vom Dienstgeber regelmäßig überprüft wurden, legt er nicht nachvollziehbar dar, warum die Rechtsansicht, dass dies sachlich gerechtfertigt war, korrekturbedürftig sein soll. Der Rechtsmittelwerber übergeht die Feststellung, wonach schon die erste vom Dienstgeber angeordnete Untersuchung ergab, dass er dienstfähig sei; ebenso, dass sich auch bei darauffolgenden Kontrolluntersuchungen teilweise - entgegen den Krankenstandsmeldungen des Klägers - seine Dienstfähigkeit herausstellte.