OGH: Zur Frage, ob der Risikoausschluss gem Art 19.1.2 AUVB eine strafrechtliche Verurteilung voraussetzt
Der Versicherer ist nach Art 19.1.2 AUVB leistungsfrei, wenn der Unfall bei einer strafbaren Handlung eintritt, die vorsätzlich versucht oder begangen wird; das vom Kläger gewünschte Auslegungsergebnis, der Risikoausschluss setze eine gerichtlich strafbare vorsätzliche Handlung voraus, welche durch ein Strafgericht auch abgeurteilt wurde, findet keine Deckung im insoweit eindeutigen Wortlaut der Bestimmung
Art 19 AUVB, § 879 ABGB, § 6 KSchG
GZ 7 Ob 70/21a, 28.04.2021
Zwischen den Streitteilen besteht ein Unfallversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen der Unfallversicherung der Beklagten (AUVB 2012 idF 7.2015) zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise:
„Abschnitt C: Begrenzungen des Versicherungsschutzes
[...]
Artikel 19
Was ist nicht versichert? [...]
1. Kein Versicherungsschutz besteht für Unfälle:
[…]
1.2 die beim Versuch oder der Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen durch die versicherte Person eintreten, für die Vorsatz Tatbestandsmerkmal ist;
[…]“
OGH: Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikoabgrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt also der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen.
Nach dem Risikoausschluss gem Art 19.1.2 AUVB besteht kein Versicherungsschutz für Unfälle, die beim Versuch oder der Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen durch die versicherte Person eintreten, für die Vorsatz Tatbestandsmerkmal ist.
Zweck des Ausschlusses ist es, Unfälle aus dem Versicherungsschutz auszunehmen, die sich aufgrund der besonderen Gefahrensituation durch den Versuch oder die Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen ereignen. Der Ausschluss des Versicherungsschutzes setzt dabei keine strafrechtliche Verurteilung oder überhaupt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens voraus.
Der erkennende Senat hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass jedem Versicherungsnehmer das Wissen zugemutet werden muss, dass einem (Unfall-)Versicherungsvertrag gewisse Begrenzungsnormen zugrunde liegen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer hat daher grundsätzlich mit Risikoausschlüssen und -einschränkungen zu rechnen. Sie sind insoweit grundsätzlich weder ungewöhnlich noch iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend. Dies gilt umso mehr vor dem Zweck der Bestimmung, eine erhöhte Gefahrensituation – wie in der Unfallversicherung üblich – aus dem Versicherungsschutz auszunehmen.
Die Klausel ist damit weder überraschend nach § 864a ABGB noch gröblich benachteiligend nach § 897 Abs 3 ABGB.
Nach dem insoweit völlig klaren – und damit auch nicht nach § 6 Abs 3 KSchG intransparenten – Wortlaut der Bestimmung ist der Versicherer leistungsfrei, wenn die strafbare Handlung vorsätzlich versucht oder begangen wird.
Zusammengefasst bedeutet dies, dass der Versicherer nach Art 19.1.2 AUVB leistungsfrei ist, wenn der Unfall bei einer strafbaren Handlung eintritt, die vorsätzlich versucht oder begangen wird. Das vom Kläger gewünschte Auslegungsergebnis, der Risikoausschluss setze eine gerichtlich strafbare vorsätzliche Handlung voraus, welche durch ein Strafgericht auch abgeurteilt wurde, findet keine Deckung im insoweit eindeutigen Wortlaut der Bestimmung.