08.06.2021 Zivilrecht

OGH: Zur gemeinsamen Obsorge mit einem Pflegeelternteil

Auch nach dem KindNamRÄG 2013 ist eine gemeinsame Obsorge eines leiblichen Elternteils und eines Pflegeelternteils mangels einer gesetzlichen Grundlage nicht zulässig


Schlagworte: Familienrecht, Kindschaftsrecht, gemeinsame Obsorge, uneheliches Kind, Pflegeeltern, Lebensgefährte der Mutter, Übertragung der Obsorge
Gesetze:

 

§ 180 ABGB, §§ 184 ff ABGB

 

GZ 6 Ob 1/21x, 18.02.2021

 

OGH: Der OGH lehnte es bisher ab, eine allein obsorgeberechtigte Mutter eines „unehelichen“ Kindes gemeinsam mit deren Lebensgefährtin mit der Obsorge zu betrauen. Das Gesetz trifft zwar auch Vorsorge für jene Fälle, in denen die Obsorge von den leiblichen Eltern nicht ausgeübt wird oder nicht ausgeübt werden kann. Das Gericht kann nämlich einem Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil) auf seinen Antrag die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise übertragen, wenn das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist und die Übertragung dem Wohl des Kindes entspricht. Aus § 185 Abs 2 ABGB, wonach die Übertragung der Obsorge an Pflegeeltern ohne die Zustimmung der bisher mit der Obsorge betrauten Eltern oder Großeltern nur verfügt werden darf, wenn ohne sie das Wohl des Kindes gefährdet wäre, ergibt sich bereits, dass ein Pflegeelternteil nicht gemeinsam (mit gleichen Rechten und Pflichten) mit einem Elternteil mit der Obsorge betraut werden kann, sondern nur statt des Elternteils. Das Gesetz sieht also nicht vor, dass neben einem Elternteil ein Pflegeelternteil gemeinsam nach dem Modell der leiblichen Eltern mit der Obsorge betraut werden kann. Stiefelternteile könnten als Pflegeelternteil nur dann betraut werden, wenn dem leiblichen Elternteil im selben Umfang die Obsorge nicht mehr zusteht. Dies ist schon aus dem Grund sachlich gerechtfertigt, dass der leibliche Elternteil biologisch gesehen natürlicherweise primär mit der Obsorge betraut sein soll. Lediglich zum Wohl des Kindes können bei Fehlen dieser Obsorge auch andere Personen als Eltern, nämlich Großeltern oder Pflegeeltern, wenn zu diesen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll, mit der Obsorge betraut werden. Ist aber die Mutter des „unehelich“ geborenen Kindes allein obsorgeberechtigt, so bestehe kein Bedarf, einer anderen Person, mit der nur eine rein faktische Nahebeziehung besteht, Obsorgerechte zu übertragen. Das Kindeswohl ist durch die bestehende Rechtsbeziehung bereits gewahrt.

 

Auch nach Inkrafttreten des KindNamRÄG 2013 ging die Rsp davon aus, dass eine gemeinsame Obsorge eines leiblichen Elternteils und eines Pflegeelternteils mangels einer gesetzlichen Grundlage nicht zulässig ist; solange einem leiblichen Elternteil die Obsorge zusteht, kann er nicht gemeinsam mit einem Dritten (und sei es auch ein Pflege- oder Stiefelternteil) mit der Obsorge betraut werden. Der OGH sieht keine Veranlassung, von dieser nahezu einhelligen Meinung abzugehen.