01.06.2021 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob Schäden eines Dritten auch dann nicht vom Schutzzweck der den Erwachsenenvertreter treffenden Pflichten erfasst sind, wenn diesem keine eigene Nachlässigkeit vorgeworfen werden kann

Aus welchen Gründen die den Sachwalter (Erwachsenenvertreter) gegenüber dem Pflegebefohlenen treffenden Pflichten dann auch dem Schutz der Vermögensinteressen eines Dritten dienen sollten, wenn diesem selbst kein Sorgfaltsvorwurf (in eigenen Angelegenheiten) zu machen ist, versucht die Revision gar nicht darzulegen; sachlich überzeugende Gründe für eine solche Differenzierung sind auch nicht zu erkennen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Erwachsenenschutzrecht, Pflichten eines Erwachsenenvertreters / Sachwalters, Vermögensinteresse Dritter
Gesetze:

 

§ 1311 ABGB, §§ 1295 ff ABGB, § 275 ABGB aF

 

GZ 1 Ob 52/21k, 21.04.2021

 

OGH: Ganz allgemein gilt, dass nur jene Schäden zu ersetzen sind, deren Eintritt die übertretene Vorschrift gerade verhindern wollte oder deren Verhinderung sie zumindest mitbezweckt. Nach stRsp haftet ein Schädiger aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens daher nur für jene (kausal) verursachten Schäden, die vom Schutzzweck der (Gebots- oder Verbots-)Norm erfasst werden.

 

Die Pflichten eines Erwachsenenvertreters (vormals Sachwalter) nach § 275 Abs 1 ABGB idF vor BGBl I 2017/59 (2. ErwSchG) zur Wahrung und Förderung des Wohls des Betroffenen haben Bedeutung lediglich gegenüber dem Pflegebefohlenen, nicht aber im Verhältnis zu Dritten. Nach hLuRsp bezwecken diese Verhaltenspflichten daher ausschließlich den Schutz des Betroffenen vor Rechtsnachteilen als Subjekt der Erwachsenenvertretung (vormals Sachwalterschaft), insbesondere vor allfälligen Vermögensnachteilen. Vermögensnachteile, wie sie die Klägerin geltend macht, indem sie dem Beklagten zur Last legt, er habe Sozialleistungen der Betroffenen nicht rechtzeitig beantragt, weswegen Kosten für deren Unterbringung im Zeitraum vom 7. 5. 2017 bis 16. 8. 2017 nicht beglichen seien, sind vor diesem Hintergrund bloße Reflexwirkung eines allfälligen pflichtwidrigen Handelns.

 

Die Entscheidung des Berufungsgerichts folgt diesen Grundsätzen. Bedenken dagegen kann die Revisionswerberin mit ihrem allgemein gehaltenen Hinweis auf einen Verstoß des Beklagten gegen ein Schutzgesetz nicht erwecken. Aus welchen Gründen die den Sachwalter (Erwachsenenvertreter) gegenüber dem Pflegebefohlenen treffenden Pflichten dann auch dem Schutz der Vermögensinteressen eines Dritten dienen sollten, wenn diesem selbst kein Sorgfaltsvorwurf (in eigenen Angelegenheiten) zu machen ist, versucht die Revision gar nicht darzulegen und setzt sich damit mit der vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Rechtsfrage auch nicht auseinander. Sachlich überzeugende Gründe für eine solche Differenzierung sind auch nicht zu erkennen und können auch aus der Entscheidung zu 1 Ob 197/01d nicht abgeleitet werden. Warum die Entscheidung zu 1 Ob 197/01d „verfehlt“ sein soll, weil es sich danach bei der Sachwalterin nicht um eine Rechtsanwältin gehandelt hat, ist nicht nachvollziehbar. Für die Beurteilung, wie weit der Schutzzweck (Rechtswidrigkeitszusammenhang) der hier zu beurteilenden Pflichten des Sachwalters (Erwachsenenvertreters) reicht, ist diese Frage ohne Belang.