25.05.2021 Verfahrensrecht

OGH: Zur Vollstreckbarerklärung von ausländischen Schiedssprüchen (res iudicata)

Die Ablehnung der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels wegen des Verstoßes einer anderen, im Vorfeld ergangenen Entscheidung gegen den ordre public setzt jedenfalls voraus, dass jene Entscheidung, deren Vollstreckbarerklärung abgelehnt wird, unmittelbare Folge der vorhergehenden ordre public widrigen (Aufhebungs-) Entscheidung ist


Schlagworte: Ausländischer Schiedsspruch, Vollstreckbarerklärung, Exequaturverfahren, ordre public, entschiedene Rechtssache, res iudicata, Aufhebungsklage, Eingriff in die Rechtskraft
Gesetze:

 

§ 614 ZPO, § 416 EO, Art V NYÜ

 

GZ 3 Ob 2/21x, 24.03.2021

 

OGH: Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche erfolgt gem § 614 Abs 1 Satz 1 ZPO nach den Bestimmungen der EO, soweit nicht nach Völkerrecht oder in Rechtsakten der EU anderes bestimmt ist. Eine entsprechende Subsidiaritätsklausel enthält auch § 416 Abs 1 EO, weshalb zwischenstaatlichen Vereinbarungen der Vorrang zukommt. Hier kommt (unstrittig) das NYÜ zur Anwendung, zu dessen Mitgliedstaaten auch Weißrussland und Österreich zählen.

 

Gem Art V Abs 1 lit e NYÜ darf die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs auf Antrag der Partei, gegen die er geltend gemacht wird, nur versagt werden, wenn der Schiedsspruch (ua) von einer zuständigen Behörde des Landes, in dem oder nach dessen Recht er ergangen ist, aufgehoben worden ist. Gem Art V Abs 2 lit b NYÜ darf die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs (ua) auch dann versagt werden, wenn die zuständige Behörde des Landes, in dem die Anerkennung und Vollstreckung beantragt wird, feststellt, dass die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs der öffentlichen Ordnung dieses Landes widersprechen würde.

 

Gem Art 43 des Gesetzes der Republik Belarus „Über die Internationale Schiedsgerichtsbarkeit“ kann ein Schiedsspruch (nur) mit dem ao Rechtsmittel der Aufhebungsklage bekämpft werden; die weißrussische Rechtslage entspricht insofern der österreichischen.

 

Sollte die Behauptung der Verpflichteten zum ersten zwischen den Parteien ergangenen Schiedsspruch zutreffen, dass kein Aufhebungsgrund vorlag, sondern nur die Schreibweise des Namens eines Schiedsrichters zu berichtigen war, wäre die Aufhebung des Schiedsspruchs als offensichtliche Rechtsbeugung zugunsten des belarussischen Staatsunternehmens anzusehen. Ein derartiger Eingriff in die Rechtskraft des ersten Schiedsspruchs wäre aber mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung nicht vereinbar, sodass die Aufhebung dieses Schiedsspruchs nichts daran ändern könnte, dass er (nach wie vor) in Österreich anzuerkennen ist. Dass die Verpflichtete gar nicht behauptet, der zweite Schiedsspruch sei für sich allein ordre-public-widrig, schadet nicht, weil eine (gegebenenfalls) mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbare Aufhebung des ersten Schiedsspruchs unmittelbar auf den zweiten Schiedsspruch durchschlagen müsste.