OGH: Zum Gewährleistungsrückgriff nach § 933b ABGB
Die Einschränkung des Gewährleistungsregresses auf Verbrauchergeschäfte am Ende der Absatzkette erscheint mit Blick auf die sachliche Rechtfertigung fragwürdig
§ 933b ABGB, §§ 922 ff ABGB
GZ 4 Ob 23/21t, 20.04.2021
OGH: § 933b ABGB normiert eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist bei Gewährleistungsrückgriffen in einer Vertragskette. Macht also der Endabnehmer Gewährleistungsansprüche gegen seinen Vertragspartner geltend und erfährt Letzterer („der Letztverkäufer“) auf diese Weise davon, dass ihm sein Vormann mangelhaft geleistet hat, so kann der Letztverkäufer seine Gewährleistungsansprüche trotz eigentlichen Ablaufs der Gewährleistungsfrist aus dem Vertrag zu seinem Vormann weiterhin in Anspruch nehmen. § 933b ABGB gelangt auch auf Schadenersatzansprüche nach § 933a ABGB (Mangelschaden) zur Anwendung und gilt nach § 1167 ABGB auch beim Werkvertrag. Nach dieser Bestimmung kann der Rückgriffsgläubiger (ursprünglicher Gewährleistungsschuldner) seine eigenen Gewährleistungsansprüche nach § 932 ABGB (oder § 933a ABGB) gegen seinen Vormann geltend machen, also Verbesserung oder Austausch (primäre Rechtsbehelfe) oder - bei Vorliegen der Voraussetzungen - Preisminderung oder Wandlung (sekundäre Rechtsbehelfe) verlangen. Sein Gewährleistungsregress ist nach § 933b Abs 1 letzter Satz ABGB mit der Höhe des eigenen finanziellen Aufwands gegenüber seinem Gewährleistungsgläubiger (Nachmann) beschränkt.
§ 933b ABGB stellt nach seinem Wortlaut darauf ab, dass es sich beim Endabnehmer (Letztkäufer bzw Letzt-Besteller) um einen Verbraucher handelt. Art 4 der Gewährleistungs-RL (Verbrauchsgüterkauf-RL 1999/44/EG) verpflichtet die Mitgliedstaaten, einen Rückgriff des Letztverkäufers innerhalb der Vertriebskette zu ermöglichen. Dem Letztverkäufer stünden gegen seinen Lieferanten zwar Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche zu, wenn er die Ware von diesem in mangelhaftem Zustand erhalten hat. Vielfach wird ein Gewährleistungsregress aber daran scheitern, dass im Verhältnis zwischen dem Letztverkäufer und seinem Vormann die relativ kurzen Fristen des § 933 ABGB abgelaufen sind, wenn der Letztverkäufer vom Mangel erfährt. Für die verfolgte Zielsetzung, innerhalb einer Vertragskette den unternehmerischen Gewährleistungsregress zu ermöglichen bzw zu erleichtern, spielt der Umstand, ob der Endabnehmer Verbrauchereigenschaft hat oder nicht, an sich keine Rolle. Die Einschränkung auf Verbrauchergeschäfte am Ende der Absatzkette erscheint daher mit Blick auf die sachliche Rechtfertigung fragwürdig. In der Lit wird teilweise die Ansicht vertreten, dass § 933b ABGB (analog) auf jene Fälle zu erstrecken sei, in denen der Endabnehmer kein Verbraucher, sondern ein Unternehmer sei. Diese Frage muss aber hier nicht abschließend geklärt werden: Die Bestimmung des § 933b ABGB betrifft den unternehmerischen Regress aus dem Titel der Gewährleistung und ist zwischen den Mitgliedern der Vertriebskette dispositiv, sie kann von diesen daher modifiziert und damit auch erweitert werden, was in den hier zugrunde liegenden AGB auch erfolgte.