VwGH: Art 3 EMRK; Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG iZm medizinischer Behandlung und Covid-19-Maßnahmen im Heimatland
Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind; nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art 3 EMRK; in der Rsp wurde bereits dargelegt, dass es für sich nicht entscheidungswesentlich ist, wenn sich für einen Asylwerber infolge der seitens Behörden zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus und von Erkrankungen an Covid-19 gesetzten Maßnahmen die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, weil es darauf bei der Frage, ob im Fall seiner Rückführung eine Verletzung des Art 3 EMRK zu gewärtigen ist, nicht ankommt, solange diese Maßnahmen nicht dazu führen, dass die Sicherung der existenziellen Grundbedürfnisse als nicht mehr gegeben anzunehmen wäre
§ 9 BFA-VG, Art 8 EMRK, Art 3 EMRK
GZ Ra 2021/20/0062, 25.03.2021
Die revisionswerbenden Parteien weisen auf die in ihrem Heimatland herrschende Armut, die Spannungen auf dem dortigen Arbeitsmarkt, die Geringfügigkeit der dort gewährten Arbeitslosenunterstützung, die dortige „Covid-19 Situation“, und darauf hin, dass für die Zweitrevisionswerberin nach dem bei ihr vorgenommenen medizinischen Eingriff weitere fachärztliche Kontrollen und Untersuchungen notwendig seien und die Krankenhäuser in Usbekistan nicht dem europäischen Standard entsprächen. Weiters bestehe im Heimatland nur noch Kontakt zur Mutter der Zweitrevisionswerberin und zum erstgeborenen Sohn, die Deutschkenntnisse der revisionswerbenden Parteien hätten sich verbessert, zudem sei auf die Bemühungen, am österreichischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, hinzuweisen.
VwGH: Den revisionswerbenden Parteien gelingt es vor dem Hintergrund der stRsp des VwGH zu den Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz und zur nach § 9 BFA-VG bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmenden Interessenabwägung nicht, die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel für den Verfahrensausgang darzutun.
Mit Blick auf das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien ist aus der stRsp des VwGH hervorzuheben, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt.
Weiters hat der VwGH in seiner stRsp festgehalten, dass eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für sich betrachtet nicht ausreicht, um die Verletzung des nach Art 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen. In der Rsp wurde in diesem Zusammenhang zudem bereits dargelegt, dass es für sich nicht entscheidungswesentlich ist, wenn sich für einen Asylwerber infolge der seitens Behörden zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus und von Erkrankungen an Covid-19 gesetzten Maßnahmen die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, weil es darauf bei der Frage, ob im Fall seiner Rückführung eine Verletzung des Art 3 EMRK zu gewärtigen ist, nicht ankommt, solange diese Maßnahmen nicht dazu führen, dass die Sicherung der existenziellen Grundbedürfnisse als nicht mehr gegeben anzunehmen wäre. Das gilt auch für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative.
Es ist anhand des Revisionsvorbringens nicht zu sehen, dass die von den revisionswerbenden Parteien ins Treffen geführten Umstände am Boden dieser Rsp hätten geeignet sein können, zur Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten zu führen.
Das gilt sinngemäß auch für das auf die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG abstellende Vorbringen. Dass es aufgrund der von den revisionswerbenden Parteien angeführten Umstände hätte geboten sein können, von der Erlassung von Rückkehrentscheidungen Abstand zu nehmen, wird nicht aufgezeigt.