OGH: Zur Formgültigkeit eines (femdhändigen) Testaments (hier: Nähen des Testaments unmittelbar nach dem Leisten der Unterschriften)
Wird die äußere Urkundeneinheit unmittelbar nach dem Leisten der Unterschriften hergestellt, ist von einem einheitlichen Testiervorgang auszugehen, der erst mit dieser Herstellung beendet ist; das gilt auch dann, wenn der Erblasser zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zugegen war
§ 579 ABGB
GZ 2 Ob 4/21h, 29.04.2021
OGH: Nach nunmehr stRsp liegt die äußere Urkundeneinheit bei einer fremdhändigen letztwilligen Verfügung nur vor, wenn die einzelnen Bestandteile der Urkunde (die losen Blätter) so fest miteinander verbunden wurden, dass die Verbindung nur mit Zerstörung oder Beschädigung der Urkunde gelöst werden kann, wie zB beim Binden, Kleben oder Nähen der Urkundenteile.
Diese Urkundeneinheit muss nach den genannten Entscheidungen „während“ des Testiervorgangs, also „uno actu“ mit diesem, hergestellt werden. Dieses Erfordernis ist jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn das Testament bei einer auswärtigen Amtshandlung eines Notars auf unverbundenen Blättern errichtet und erst später im Notariat gebunden wurde; in diesem Fall hätte es auch nicht genügt, wenn es der Notar bei Ankunft in der Kanzlei sofort dem Sekretariat übergeben hätte und es dort sofort gebunden worden wäre. Hingegen genügt es, wenn die Verbindung im unmittelbaren Anschluss an die Unterfertigung durch den Erblasser und die Zeugen hergestellt wird. In den weiteren Entscheidungen lag auch bei Schluss der Verhandlung noch keine äußere Urkundeneinheit vor, sodass die Ausführungen zum relevanten Zeitpunkt dort keine tragende Bedeutung hatten.
Aus der E 2 Ob 141/20d ergibt sich, dass das Erfordernis des Herstellens der Verbindung „während“ des Testiervorgangs (bzw „uno actu“ mit diesem) nicht dahin verstanden werden kann, dass die Verbindung schon bei Leistung der Unterschriften vorhanden sein müsste. Vielmehr genügt es, wenn die Verbindung in unmittelbarem Anschluss daran hergestellt wird. Dieses Verständnis lag auch den früheren Entscheidungen des Senats zugrunde. Denn sonst hätte die Formulierung „während“ des Testiervorgangs (bzw „uno actu“ mit diesem) praktisch keine eigenständige Bedeutung gehabt, da damit – worauf insb Tschugguel zutreffend hinweist – im Ergebnis ein Verbinden vor dem Leisten der Unterschriften erforderlich gewesen wäre; dass die Verbindung zwischen dem Leisten der einzelnen Unterschriften hergestellt werden könnte, ist praktisch nur schwer vorstellbar.
Wird daher die äußere Urkundeneinheit unmittelbar nach dem Leisten der Unterschriften hergestellt, ist von einem einheitlichen Testiervorgang auszugehen, der erst mit dieser Herstellung beendet ist. Das gilt auch dann, wenn der Erblasser zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zugegen war. Bestanden für ihn keine Bedenken, dass die Verbindung im unmittelbaren Anschluss erfolgen würde, und wurde dies auch tatsächlich umgesetzt, überspannte ein Anwesenheitserfordernis jene Strenge, die nach dem Zweck der erbrechtlichen Formvorschriften erforderlich ist. Denn das Austauschen von Blättern ist in diesem Fall unabhängig von den sonstigen Umständen des Einzelfalls praktisch ausgeschlossen. Darin unterscheidet sich diese Fallgestaltung von Situationen, in denen das Verbinden nicht unmittelbar nach den Unterschriften, sondern, wie in 2 Ob 218/19a, zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Denn hier hängt es von den konkreten Abläufen ab, ob die Gefahr des Austauschens besteht oder nicht. Zweck der Formerfordernisse ist es aber, durch klare Regeln die Notwendigkeit einer solchen Einzelfallbeurteilung zu vermeiden.
Wird die rechtzeitige Herstellung der äußeren Urkundeneinheit bei einer äußerlich der Form entsprechenden letztwilligen Verfügung bestritten, so trifft die Beweislast für den Formmangel jene Partei, die ihn behauptet. Dieser Beweis ist hier nicht gelungen: Aufgrund der Negativfeststellungen der Vorinstanzen ist zu Lasten der beweispflichtigen Tochter davon auszugehen, dass das Testament unmittelbar nach der Unterschriftleistung gebunden wurde und dass – was an sich nicht erforderlich wäre – der Erblasser auch während des Bindens zugegen war.