OGH: Zum Rücktritt bei der Novation
Das Wiederaufleben der ursprünglichen Verpflichtung ist unmittelbare Folge des Rücktritts vom Neuerungsvertrag
§§ 917 ff ABGB, §§ 1376 ff ABGB, §§ 1295 ff ABGB
GZ 3 Ob 148/20s, 24.03.2021
OGH: Ein Neuerungsvertrag iSd §§ 1376 ff ABGB kommt zustande, wenn nach dem Willen der Parteien das ursprüngliche Schuldverhältnis durch Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstands durch ein neues ersetzt wird, indem sie mit der Begründung des neuen die Aufhebung des alten verknüpfen. Kennzeichnend für eine Novation ist der aus den Erklärungen der Parteien hervorleuchtende Wille, an die Stelle einer früheren Verbindlichkeit eine andere zu setzen, also der Wille, dass auf das alte Schuldverhältnis nicht mehr zurückgegriffen werden soll. Obwohl durch die Novation eine neue Verbindlichkeit entsteht, sind das alte und das neue Schuldverhältnis voneinander nicht völlig unabhängig. Die Novation setzt voraus, dass das ursprüngliche Schuldverhältnis wirksam begründet wurde. Andererseits erlischt die alte Schuld nur, wenn die neue Verbindlichkeit gültig zustande gekommen ist. Fällt diese etwa durch Anfechtung weg, lebt das alte Rechtsverhältnis wieder auf.
Auch auf Vergleiche sind die Bestimmungen der §§ 917 ff ABGB anwendbar; damit besteht bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch ein Rücktrittsrecht nach § 918 ABGB. Ein wesentlicher Unterschied zwischen der „Beseitigung“ der neuen Vereinbarung etwa durch Irrtumsanfechtung mit Wirkung ex tunc und einem Rücktritt nach § 918 ABGB mit derselben Wirkung besteht nicht: Auch der Rücktritt nach § 918 ABGB führt zum Wegfall des Vertrags. Richtig ist zwar, dass der Rücktritt die ursprüngliche Willenseinigung nicht berührt. Dieses Argument ändert aber nichts daran, dass der berechtigte Rücktritt den Vertrag als solchen beseitigt. Dass diese Wirkung bloß schuldrechtlicher Natur ist, hat für die Beseitigungswirkung keine Bedeutung. Anderes könnte lediglich dann gelten, wenn die Auslegung des konkreten Vertrags zum Ergebnis führt, dass die Parteien unbedingt, also auch bei Auftreten von Leistungsstörungen, einen Rückgriff auf die ursprüngliche Vereinbarung ausschließen wollten. Daraus folgt, dass ein Rücktritt nach § 918 ABGB von einem noch nicht in das Erfüllungsstadium getretenen Vergleich mit Novationswirkung die ursprüngliche Verpflichtung wieder aufleben lässt, sofern die konkrete Absicht der Vertragsparteien nicht das Gegenteil ergibt. Der Rücktritt lässt auch gem § 921 Satz 1 ABGB „den Anspruch auf Ersatz des durch verschuldete Nichterfüllung verursachten Schadens unberührt“ (also hier des durch die Nichterfüllung des Neuerungsvertrags entstandenen Schadens). Sowohl der Rücktritt als auch der Schadenersatzanspruch sind Rechtsfolgen der Nichterfüllung des (Neuerungs-)Vertrags, die nach dem Gesetz nebeneinander eintreten.