04.05.2021 Zivilrecht

OGH: Zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen bei Begründung einer Gütergemeinschaft

Nach § 781 Abs 2 Z 6 ABGB gilt als Schenkung iSd des § 781 Abs 1 ABGB auch „jede andere Leistung, die nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft unter Lebenden gleichkommt“


Schlagworte: Familienrecht, Eherecht, Erbrecht, Pflichtteilsergänzung, Schenkungspflichtteil, allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden, Ehepakt
Gesetze:

 

§ 781 ABGB, § 938 ABGB, §§ 1234 f ABGB

 

GZ 2 Ob 110/20w, 25.02.2021

 

OGH: Nach § 781 Abs 1 ABGB sind Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers oder auf dessen Todesfall, die ein Pflichtteilsberechtigter oder ein Dritter vom Erblasser erhalten hat, dem Nachlass hinzuzurechnen und auf einen allfälligen Pflichtteil anzurechnen. Im vorliegenden Fall konnte aber nicht festgestellt werden, ob der Erblasser beim Eingehen einer Gütergemeinschaft mit Schenkungswillen handelte oder ob er eine Gegenleistung der Gattin, zB in Form ihrer Arbeitsleistung, forderte oder vereinbarte, sodass eine Schenkung nach § 938 bzw § 781 Abs 1 ABGB nicht erwiesen ist. Nach § 781 Abs 2 Z 6 ABGB gilt als Schenkung iSd des § 781 Abs 1 ABGB aber auch „jede andere Leistung, die nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft unter Lebenden gleichkommt“.

 

In der Lit wurde bislang die Frage, ob die Gütergemeinschaft unter Lebenden unter den Schenkungsbegriff des § 781 ABGB nF fällt, kaum behandelt. Auch der OGH hatte sich mit diesem Problem noch nicht zu befassen. Die Rsp zur alten Rechtslage ging davon aus, dass ein Ehepakt niemals eine Schenkung sein könne und daher bei der Pflichtteilsberechnung nicht zu berücksichtigen sei. Allerdings reiche die Versorgungsabsicht allein nicht, um Schenkungsabsicht zu verneinen.

 

Eine allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden umfasst grundsätzlich das gesamte gegenwärtige und künftige Vermögen der Partner. Dementsprechend sollte hier auch nicht nur das im Zeitpunkt des Abschlusses bestehende Vermögen, sondern auch jeder zukünftige, einzelne oder gemeinschaftliche Erwerb in die Gütergemeinschaft fallen. Die Ehegatten gingen bei Abschluss des Gütergemeinschaftsvertrags davon aus, dass die Gattin weiter die Landwirtschaft führen und ihre gesamte Arbeitskraft - ohne eigenes Entgelt - der gemeinsamen Landwirtschaft zur Verfügung stellen und auf diese Weise geldwerte Leistungen in die Gütergemeinschaft einbringen wird.

 

Ein krasses Missverhältnis zwischen den von den Ehegatten solcherart der Gütergemeinschaft gewidmeten Werten an Vermögen und künftigem Erwerb war im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht zu erwarten und jedenfalls nicht absehbar. Damit erfüllte aber die Begründung der allgemeinen Gütergemeinschaft weder die Voraussetzungen einer Schenkung der Hälfteanteile der vom Erblasser eingebrachten Liegenschaften an die Gattin, noch kam sie ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft unter Lebenden iSv § 781 Abs 2 Z 6 ABGB gleich.