OGH: Zur Bemessungsgrundlage des Schenkungspflichtteils
Nutzungsrechte Dritter an einer geschenkten Liegenschaft sind bei deren Hinzurechnung zum Nachlass (§ 781 ABGB) nur insoweit zu berücksichtigen, als sie beim Tod des Erblassers noch bestehen; sind sie zu oder mit diesem Zeitpunkt erloschen, so haben sie keinen Einfluss auf die Bemessung des Pflichtteils; bestehen sie noch, ist der aufgrund der wahrscheinlichen Restnutzungsdauer ermittelte Wert von der Bemessungsgrundlage abzuziehen
§ 781 ABGB, § 788 ABGB
GZ 2 Ob 124/20d, 25.02.2021
OGH: Die Hinzurechnung von Schenkungen soll dazu führen, dass Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich so stehen, wie sie stünden, wenn die Schenkung - also die nach der Wertung des Gesetzes „pflichtteilswidrige“ Verfügung - unterblieben und die Sache daher noch im Nachlass wäre.
§ 788 nF ABGB soll das Problem von Wertveränderungen der Sache zwischen der Schenkung und dem Tod des Erblassers lösen. Solche Veränderungen können sich durch die allgemeine Preisentwicklung, durch Zufälle oder durch Handlungen oder Unterlassungen des Beschenkten ergeben. Danach ist der Wert im Zeitpunkt der („wirklich gemachten“) Schenkung maßgebend, der allerdings nach dem VPI auf den Todeszeitpunkt „anzupassen“ (also idR aufzuwerten) ist. Dadurch sollen die Dritten zugewendeten Werte „möglichst gleichmäßig an die Verhältnisse im Todeszeitpunkt herangeführt werden“. Es ging dem Gesetzgeber bei der Neuregelung nur um die Vorgangsweise bei der Ermittlung jenes (fiktiven) Werts der geschenkten Sache, der der Hinzu- und Anrechnung zugrunde zu legen ist. Das „Stichtagprinzip“ des § 788 ABGB stellt dabei klar, dass Wertveränderungen nach der Schenkung unabhängig von ihrer Ursache (also Zufall, Handlungen oder Unterlassungen des Beschenkten oder konkrete Preisentwicklung) grundsätzlich unerheblich sind; stattdessen hat (zum „Heranführen“ der Werte an den Todeszeitpunkt) eine Aufwertung nach der allgemeinen Preisentwicklung (VPI) zu erfolgen.
Nutzungsrechte Dritter an einer geschenkten Sache sind bei der Hinzurechnung nur insoweit zu berücksichtigen, als sie beim Tod des Erblassers noch bestehen. Sind sie zu oder mit diesem Zeitpunkt erloschen, so haben sie keinen Einfluss auf die Bemessung des Pflichtteils. Bestehen sie noch, ist der aufgrund der wahrscheinlichen Restnutzungsdauer ermittelte Wert von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Dies entspricht auch der hA zum alten Recht. Da sich der Zweck des Hinzu- und Anrechnungsrechts mit dem ErbRÄG 2015 nicht grundlegend geändert hat und § 788 ABGB nur das Problem der Wertentwicklung zwischen Schenkung und Tod lösen sollte, besteht kein Anlass, nach neuem Recht davon abzugehen.