OGH: Zur Ersetzung der Zustimmung zur Adoption durch das Gericht
Der bloße Wunsch des leiblichen Elternteils nach Kontakten und Bindung zu seinem Kind ist zwar kein absolut gerechtfertigter Weigerungsgrund, die Adoption muss aber für das Kind geradezu notwendig sein; die Interessen des Kindes an der Adoption müssen eindeutig dominieren
§§ 191 ff ABGB, § 195 ABGB
GZ 1 Ob 225/20z, 21.12.2020
OGH: Die in der Rsp entwickelten Grundsätze zur Frage, was unter dem Ausdruck „gerechtfertigte Gründe“ in § 195 Abs 3 ABGB zu verstehen ist, lassen sich dahin zusammenfassen, dass die gesetzlichen Bestimmungen sicherstellen sollen, dass keine Adoption gegen die wohlbegründete Meinung der Person zustande kommt, die durch die Adoption in ihren Rechten tiefgreifend betroffen wird. Dem Kindeswohl entsprechende, in der Familie des Annehmenden bestehende bessere, der Entwicklung des Kindes förderliche Lebensverhältnisse sind nicht der alleinige oder auch nur überwiegende Gesichtspunkt, die Verweigerung der Zustimmung als nicht gerechtfertigt anzusehen. Im Zweifel ist die Weigerung als gerechtfertigt zu betrachten. Der bloße Wunsch des leiblichen Elternteils nach Kontakten und Bindung zu seinem Kind ist zwar kein absolut gerechtfertigter Weigerungsgrund, die Adoption muss aber für das Kind geradezu notwendig sein; die Interessen des Kindes an der Adoption müssen eindeutig dominieren.
Vorliegend ist der Vater liberianischer Staatsangehöriger, sein Asylantrag wurde abgewiesen und seine Aufenthaltsbewilligung wird jährlich verlängert. Das Kontaktrecht zwischen ihm und den Kindern wurde bis auf weiteres ausgesetzt, weil er es nicht geschafft hat, die Kontakte verlässlich einzuhalten, was mit großer Enttäuschung für die Kinder verbunden war. Trotz seiner Haftstrafen besteht zwischen ihm und den Kindern eine Eltern-Kind-Beziehung. Dass der Vater die begleiteten Kontakte nicht kontinuierlich ausgeübt hat, sodass diese letztlich ausgesetzt werden mussten, reicht für die Annahme einer fehlenden sittlichen Rechtfertigung seiner Weigerung nicht aus, zumal dafür auch kulturelle und wirtschaftliche Gründe eine Rolle gespielt haben können. Zudem verliert der leibliche Vater bei Ersetzung seiner Zustimmung und pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung des Adoptionsvertrags endgültig seine Aufenthaltsberechtigung in Österreich und würde nach Liberia abgeschoben werden. Damit würde der mittlerweile ohnehin kaum mehr „vorhandene Faden“ zwischen den Kindern und ihm „gänzlich abreißen“. Die Kinder werden sich in den kommenden Jahren mit ihrer Herkunft und auch der ihres Vaters beschäftigen; ihnen wäre im Falle einer Abschiebung nach Afrika faktisch jede Möglichkeit (einer Auseinandersetzung) entzogen.
Dass die Vorinstanzen auf Basis dieser Sachlage von gerechtfertigten Gründen der Weigerung des leiblichen Vaters, der Adoption zuzustimmen, ausgingen, bildet keine klare Fehlbeurteilung oder Ermessensüberschreitung, die vom OGH aufzugreifen wäre.