OGH: Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG) – Vertretbarkeit der Rechtsansicht, dass der beklagte Prozessfinanzierer dem „Quota-litis-Verbot“ des § 879 Abs 2 Z 2 ABGB nicht unterfällt?
Vor dem Hintergrund von LuRsp hat das Rekursgericht die Vertretbarkeitsfrage ohne krasse Fehlbeurteilung gelöst; nach den Feststellungen beschränkt sich die Beklagte nämlich inhaltlich auf eine Prüfung der Vollständigkeit der Unterlagen ihres Vertragspartners und – in Abstimmung mit einem Rechtsanwalt – auf die Prüfung bestimmter Formalia (etwa ob der Versicherungsvertrag noch aufrecht ist und wann er abgeschlossen wurde), sodann leitet sie den Fall an einen Rechtsanwalt weiter; sie erteilt ihrem Vertragspartner hingegen weder Rechtsberatung noch versucht sie, Einfluss auf die Verfahrensführung durch den Anwalt zu nehmen, sondern würde bei Vergleichsbereitschaft der Versicherer dem Anwalt die Verhandlungen überlassen; dass die Beklagte – wie der Revisionsrekurs hervorhebt – Kunden aktiv akquiriert, hat das Rekursgericht ohnehin erwogen, jedoch dazu ausgeführt, dass dies dem Wesen eines auf Gewinn gerichteten Unternehmens entspreche; weshalb diese Beurteilung unvertretbar sein soll, zeigt der Revisionsrekurs nicht auf
§ 1 UWG, § 879 ABGB
GZ 4 Ob 180/20d, 23.02.2021
OGH: Der Revisionsrekurs macht ausschließlich geltend, dass Prozessfinanzierer, insbesondere wenn sie selbst aktiv Kunden akquirieren, dem Verbot des pactum de quota litis unterfielen. Er behauptet aber weder, dass die gegenteilige Rechtsansicht der Beklagten unvertretbar sei, noch enthält er Ausführungen dazu, weshalb das Rekursgericht die Vertretbarkeitsfrage seinerseits in unvertretbarer Weise gelöst haben sollte.
Die Rechtsmittelwerberin verweist vielmehr selbst darauf, dass nach zumindest überwiegender Lehre Prozessfinanzierer nicht bzw jedenfalls dann nicht von § 879 Abs 2 Z 2 ABGB erfasst werden, wenn sie selbst keine (dem Vertretungsmonopol der Rechtsanwälte unterfallende) umfassende Rechtsberatung anbieten, sondern nur vorweg die Erfolgsaussichten prüfen, den Fall dann an einen Rechtsanwalt abgeben und in weiterer Folge keinen direkten Einfluss auf die Verfahrensgestaltung ausüben, sodass der Anwalt den Interessen des Mandanten stets den Vorrang zu geben hat und dieser Herr des Verfahrens bleibt.
Auch in der E 4 Ob 14/18i, in der Winkelschreiberei in analoger Anwendung des § 879 Abs 2 Z 2 ABGB dem Verbot unterstellt wurde, hat der Senat maßgeblich darauf abgestellt, dass der Winkelschreiber tatsächlich eine dem Vertretungsvorbehalt der Rechtsanwälte unterfallende Leistung in Form umfassender Rechtsberatung anbietet. Der nicht berechtigte Leistungserbringer soll nämlich nicht besser gestellt werden als der Berechtigte. Die bisherige Jud hat diese Frage tendenziell zugunsten der Beklagten gelöst bzw ausdrücklich offen gelassen.
Vor dem Hintergrund dieses Schrifttums und der Rsp hat das Rekursgericht die Vertretbarkeitsfrage ohne krasse Fehlbeurteilung gelöst. Nach den Feststellungen beschränkt sich die Beklagte nämlich inhaltlich auf eine Prüfung der Vollständigkeit der Unterlagen ihres Vertragspartners und – in Abstimmung mit einem Rechtsanwalt – auf die Prüfung bestimmter Formalia (etwa ob der Versicherungsvertrag noch aufrecht ist und wann er abgeschlossen wurde), sodann leitet sie den Fall an einen Rechtsanwalt weiter. Sie erteilt ihrem Vertragspartner hingegen weder Rechtsberatung noch versucht sie, Einfluss auf die Verfahrensführung durch den Anwalt zu nehmen, sondern würde bei Vergleichsbereitschaft der Versicherer dem Anwalt die Verhandlungen überlassen. Dass die Beklagte – wie der Revisionsrekurs hervorhebt – Kunden aktiv akquiriert, hat das Rekursgericht ohnehin erwogen, jedoch dazu ausgeführt, dass dies dem Wesen eines auf Gewinn gerichteten Unternehmens entspreche. Weshalb diese Beurteilung unvertretbar sein soll, zeigt der Revisionsrekurs nicht auf. Unionsrechtliche Fragen zur freien Anwaltswahl stellen sich in diesem Zusammenhang nicht, weil das Unterlassungsbegehren darauf nicht gerichtet ist.