30.03.2021 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob die Verbindung eines Wohnungseigentumsobjekts mit der Nachbarliegenschaft der Genehmigung nach § 16 Abs 2 WEG auch dann entgegensteht, wenn die zu verbindenden Objekte denselben Eigentümer haben

Auf die Frage, ob zwischen dem Eigentümer des Geschäftsraums 3 und demjenigen der Nachbarliegenschaft Identität besteht, kommt es nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 2 Abs 2 WEG 2002 nicht an; nach der Jud bewirkt die – durch welche Baumaßnahmen auch immer hergestellte – Zusammenlegung zweier Wohnungen grundsätzlich, dass deren bauliche Abgeschlossenheit und Selbständigkeit verloren geht, was bei Eigentümerverschiedenheit der zusammenzulegenden Wohnungen einer Genehmigung nach § 16 Abs 2 WEG 2002 entgegensteht, während die Zusammenlegung von Wohnungseigentumsobjekten im Fall der Eigentümeridentität, die spätestens bei Verbücherung vorliegen muss, als zulässig und genehmigungsfähig erachtet wurde; dieser Ausnahme vom Grundsatz liegt die Überlegung zugrunde, im Fall der Zusammenlegung von Wohnungseigentumsobjekten desselben Wohnungseigentümers werde ein neues einheitliches Objekt geschaffen, was wohnungseigentumsrechtlich zulässig sei und allenfalls zu einer entsprechenden Nutzwertneufestsetzung führen könne; daraus ist nicht der Umkehrschluss zu ziehen, dass eine bauliche Verbindung eines Wohnungseigentumsobjekts mit einem Objekt auf der Nachbarliegenschaft – mag es auch im Eigentum dieses Wohnungseigentümers stehen – nur aufgrund der Eigentümeridentität auch dann zulässig ist, wenn die Selbständigkeit des Wohnungseigentumsobjekts dadurch verloren ginge


Schlagworte: Wohnungseigentumsrecht, Änderung, Verbindung eines Wohnungseigentumsobjekts mit Nachbarliegenschaft, Eigentümeridentität, Wohnungseigentumsobjekt
Gesetze:

 

§ 16 WEG, § 2 WEG

 

GZ 5 Ob 117/20x, 07.01.2021

 

OGH: Nach stRsp des Fachsenats schon zu § 1 Abs 2 WEG 1975 und nun zu § 2 Abs 2 WEG 2002 erfordert die Wohnungseigentumstauglichkeit eines Objekts die bauliche Abgeschlossenheit nach allen Seiten und ist im Übrigen nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen. Der in § 1 WEG 1975 verwendete Begriff der wohnungseigentumstauglichen „sonstigen selbständigen Räumlichkeit“ ist zwar nicht gesetzlich definiert. Die Wortwahl „Raum“ gibt allerdings Anhaltspunkte für das richtige Begriffsverständnis und auch das Wort „sonstige“ (Räumlichkeiten neben den Wohnungen) deutet an, dass die wohnungseigentumstaugliche selbständige Räumlichkeit dem Vergleich mit den für eine Wohnung typischen „vier Wänden“ standhalten soll. Zur Definition der sonstigen selbständigen Räumlichkeiten in § 2 Abs 2 WEG 2002, die auf einen baulich abgeschlossenen, nach der Verkehrsauffassung selbständigen Teil eines Gebäudes abstellt, dem nach seiner Art und Größe eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zukommt, wie dies bei einem selbständigen Geschäftsraum oder einer Garage der Fall ist, judiziert der Fachsenat, dass es sich dabei um zwingende Grundsätze handelt, sodass bei einem Verstoß dagegen Nutzwertfestsetzungen und Grundbuchseintragungen nichtig wären. In der E 5 Ob 162/10z ging der Senat davon aus, dass die Selbständigkeit zweier Wohnungseigentumsobjekte aufgrund des Verlusts der baulichen Abgeschlossenheit im Fall der Zusammenlegung mittels Wanddurchbruchs verloren geht. Zu 5 Ob 157/11s hatte der Fachsenat einen Antrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte für eine Liegenschaft zu beurteilen, bei der aufgrund der vom Antragsgegner vorgenommenen baulichen Verbindung seiner Wohnungseigentumsobjekte mit Objekten der ebenfalls in seinem Eigentum stehenden Nachbarliegenschaft die Wohnungseigentumstauglichkeit dieser Objekte strittig war. Der Fachsenat ging davon aus, dass bauliche Änderungen an Objekten, an denen bereits Wohnungseigentum begründet ist, in Form der Verbindung mit Objekten auf einer Nachbarliegenschaft deren Wohnungseigentumstauglichkeit iSd § 2 Abs 2 WEG 2002 beseitigen. Diese Auffassung wird auch in der wohnrechtlichen Lit vertreten.

 

Die Auffassung des Rekursgerichts orientiert sich an diesen in höchstgerichtlicher Rsp vorgegebenen Grundsätzen, die auch für den Fall der Verbindung von Wohnungseigentumsobjekten mit auf der Nachbarliegenschaft gelegenen Objekten desselben Eigentümers vertreten wurde. Auf die Frage, ob die bauliche Abgeschlossenheit des Geschäftsraums 3 tatsächlich durch den Einbau einer Türe in die Außenwand allein bereits aufgehoben würde, kommt es im Gegensatz zur Auffassung des Revisionsrekurswerbers hier nicht entscheidend an. Neben der baulichen Abgeschlossenheit ist nach den Legaldefinitionen in § 1 Abs 2 WEG 1975 und § 2 Abs 2 WEG 2002 auch die Selbständigkeit des entsprechenden Gebäudeteils zwingende Voraussetzung. Diese ist nach der Verkehrsauffassung und daher nur nach der Lage des konkreten Einzelfalls beurteilbar. Wenn das Rekursgericht hier (erkennbar) davon ausging, die Selbständigkeit des Geschäftsraums 3 sei aufgrund der baulichen Verbindung mit dem anschließenden Lagerraum nicht mehr gegeben, ist dies keine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung.

 

Auf die Frage, ob zwischen dem Eigentümer des Geschäftsraums 3 und demjenigen der Nachbarliegenschaft Identität besteht, kommt es nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 2 Abs 2 WEG 2002 nicht an. Nach der Jud bewirkt die – durch welche Baumaßnahmen auch immer hergestellte – Zusammenlegung zweier Wohnungen grundsätzlich, dass deren bauliche Abgeschlossenheit und Selbständigkeit verloren geht, was bei Eigentümerverschiedenheit der zusammenzulegenden Wohnungen einer Genehmigung nach § 16 Abs 2 WEG 2002 entgegensteht, während die Zusammenlegung von Wohnungseigentumsobjekten im Fall der Eigentümeridentität, die spätestens bei Verbücherung vorliegen muss, als zulässig und genehmigungsfähig erachtet wurde. Dieser Ausnahme vom Grundsatz liegt die Überlegung zugrunde, im Fall der Zusammenlegung von Wohnungseigentumsobjekten desselben Wohnungseigentümers werde ein neues einheitliches Objekt geschaffen, was wohnungseigentumsrechtlich zulässig sei und allenfalls zu einer entsprechenden Nutzwertneufestsetzung führen könne. Daraus ist nicht der Umkehrschluss zu ziehen, dass eine bauliche Verbindung eines Wohnungseigentumsobjekts mit einem Objekt auf der Nachbarliegenschaft – mag es auch im Eigentum dieses Wohnungseigentümers stehen – nur aufgrund der Eigentümeridentität auch dann zulässig ist, wenn die Selbständigkeit des Wohnungseigentumsobjekts dadurch verloren ginge. Die vom Rekursgericht in seiner Zulassungsbegründung hervorgehobene Frage der Eigentümeridentität spielt daher keine entscheidende Rolle.