23.03.2021 Zivilrecht

OGH: Zum Festhalten eines Kranken durch Sicherheitspersonal (UbG)

Das Festhalten eines Kranken zur Blutabnahme durch eine Ärztin gehört zur psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege und ist damit dem Pflegepersonal vorbehalten


Schlagworte: Unterbringungsrecht, freiheitsbeschränkende Maßnahme, Festhalten, Sicherheitspersonal, Vier-Punkt-Fixierung, Blutabnahme
Gesetze:

 

§ 3 UbG, § 33 UbG, § 49 ÄrzteG, § 19 GuKG

 

GZ 7 Ob 14/21s, 24.02.2021

 

OGH: Nach § 49 Abs 2 ÄrzteG hat der Arzt seinen Beruf persönlich und unmittelbar, erforderlichenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Ärzten und Vertretern einer anderen Wissenschaft oder eines anderen Berufs, auszuüben. Zur Mithilfe kann er sich jedoch Hilfspersonen bedienen, wenn diese nach seinen genauen Anordnungen und unter seiner ständigen Aufsicht handeln. Zur Mithilfe kann sich der Arzt jeder Person - somit auch eines Laien - bedienen, wenn diese nur nach seinen genauen Anordnungen unter seiner ständigen Aufsicht handelt. Wie sich bereits aus dem Begriff „Hilfsperson“ ergibt, dürfen diese nur zu untergeordneten Unterstützungstätigkeiten herangezogen werden. In Frage kommen einfache Hilfsdienste wie etwa die Unterstützung des Arztes beim Anlegen von Verbänden, die Zureichung von Instrumenten oder die Bedienung medizinischer Apparate. Im Einzelfall kann der Arzt auch an Angehörige anderer Gesundheitsberufe oder in Ausbildung zu einem Gesundheitsberuf stehende Personen ärztliche Tätigkeiten übertragen, sofern diese vom Tätigkeitsbereich des entsprechenden Gesundheitsberufs umfasst sind.

 

Das dem Anlegen einer Vier-Punkt-Fixierung vorangehende Festhalten des Kranken im Rahmen der Unterbringung gehört bereits zur psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege und ist damit dem Pflegepersonal nach den Regelungen des GuKG vorbehalten. Mangels gesetzlicher Grundlage darf ein Mitarbeiter eines von der Krankenanstalt beauftragten Sicherheitsdienstes keine Pflegemaßnahmen wie das Festhalten eines Kranken setzen.

 

Hier wurde der Kranke durch das Festhalten anlässlich der Blutabnahme in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die vom (privaten) Sicherheitsdienst vorgenommenen „körpernahen“ Tätigkeiten des Festhaltens der Arme des Kranken, damit die Blutabnahme durchgeführt werden kann, sind pflegerische Tätigkeiten und dürfen grundsätzlich nicht durch Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes ausgeführt werden. Das Festhalten diente gerade dazu, die ärztliche Blutabnahme zu ermöglichen. Da diese Tätigkeit der Pflege vorbehalten ist, hätte sie weder von der anordnenden Ärztin noch vom Pflegepersonal an die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes delegiert werden dürfen. Ebenso wie das Festhalten eines Kranken durch Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes zur Anbringung einer Vier-Punkt-Fixierung durch das Pflegepersonal mangels Qualifikation und gesetzlicher Grundlage nicht zulässig ist, gilt das auch für das Festhalten eines Kranken durch das Sicherheitspersonal zur Blutabnahme durch eine Ärztin. Den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes fehlt die notwendige Qualifikation zum Schutz des untergebrachten Kranken, mag auch die angeordnete Blutabnahme von der Ärztin überwacht worden sein.