16.03.2021 Zivilrecht

OGH: § 16 Abs 2 WEG – beabsichtigter Bau eines Wintergartens auf Terrasse durch Anbringung einer Aluvorrichtung samt Glasfenster

Primär ist für die Beurteilung der Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes auf die straßenseitige Ansicht der Liegenschaft abzustellen, doch können auch optische Aspekte, die eine negative Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes einer Wohnhausanlage an sich bewirken, ausschlaggebend sein; bei der Beurteilung der Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses kommt dem Rechtsanwender wegen des dabei gebrauchten unbestimmten Gesetzesbegriffs ein Ermessensspielraum zu


Schlagworte: Wohnungseigentumsrecht, Änderungen, Wintergarten auf Terrasse, Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes, Interessensabwägung
Gesetze:

 

§ 16 WEG

 

GZ 5 Ob 235/20z, 04.02.2021

 

OGH: Die Zulässigkeit der Änderung eines Wohnungseigentumsobjekts iSd § 16 Abs 2 Z 1 und 2 WEG lässt sich nicht grundsätzlich bejahen oder verneinen. Es kommt dabei vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind. Dabei ist den Vorinstanzen ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt. Nur bei einer groben, die Rechtssicherheit in Frage stellenden Fehlbeurteilung hätte der OGH korrigierend einzugreifen.

 

Die in § 16 Abs 2 Z 1 WEG ausdrücklich genannte Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses – die die Vorinstanzen hier übereinstimmend bejahten – ist ein spezifischer Fall der Interessensbeeinträchtigung. Grundsätzlich steht einer Änderung nicht jede Beeinträchtigung von Interessen der Miteigentümer entgegen, sondern nur eine wesentliche Beeinträchtigung, die die Interessen der anderen Wohnungseigentümer am Unterbleiben der Änderung so schutzwürdig erscheinen lässt, dass der Anspruch des Wohnungseigentümers auf Änderung zurückzustehen hat. Als Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses ist nicht jede (wertneutrale) Veränderung zu verstehen, sondern nur eine solche, die eine Verschlechterung des Erscheinungsbildes bewirkt. Die Rsp stellt zunächst darauf ab, ob die bisherige Gestaltung des Gebäudes einem bestimmten architektonischen Konzept folgt oder es sich um ein äußerlich eher einfallsloses Gebäude handelt. Selbst architektonisch weniger anspruchsvolle Gebäude können aber eine Verschlechterung des Erscheinungsbildes erfahren. Auch die Einheitlichkeit des äußeren Erscheinungsbildes per se kann ein schutzwürdiger Wert sein. Primär ist für die Beurteilung der Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes auf die straßenseitige Ansicht der Liegenschaft abzustellen, doch können auch optische Aspekte, die eine negative Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes einer Wohnhausanlage an sich bewirken, ausschlaggebend sein. Bei der Beurteilung der Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses kommt dem Rechtsanwender wegen des dabei gebrauchten unbestimmten Gesetzesbegriffs ein Ermessensspielraum zu, den die Vorinstanzen hier nicht verlassen haben.

 

Nach den den OGH bindenden Feststellungen des Erstgerichts liegt der hier zu beurteilenden Wohnungseigentumsanlage ein einheitliches architektonisches Konzept zugrunde. Der von der Weinmeisterstraße aus einsehbare Gebäudeteil weist sechs markante vorspringende Gebäudekanten auf, die eine Flucht bilden und die Gesamtausrichtung des Objekts bestimmen. Auch die Terrassen im Erdgeschoss (darunter die nach dem Wunsch der Antragstellerin zum Wintergarten auszubauende) sind der Gebäudeflucht folgend abgeschrägt. Das leicht und feingliedrig wirkende Gesamterscheinungsbild der Anlage würde durch den aufgrund der kräftigen Aluminiumkonstruktion wuchtig erscheinenden Zubau, der unter dem darüber liegenden Balkon und die Gebäudeflucht hervorspringen würde, erheblich gestört. Dieser Zubau würde als Fremdkörper wirken. Wenn die Vorinstanzen auf Basis dieser Feststellungen von einer erheblichen Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes der Anlage ausgingen, ist dies keine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung, zumal sie sich dabei auf die Erwägungen der E 5 Ob 9/17k stützen konnten. Ein nur in einem von vier, einem einheitlichen architektonischen Konzept folgenden Häusern geplanter, asymmetrisch zu errichtender Balkonturm wurde als auffallender Fremdkörper ungeachtet dessen nicht genehmigt, dass er nicht an der Straßenfront errichtet werden sollte. In der E 5 Ob 186/18s wurde der geplanten Errichtung einer Aufzugsanlage als Liftturm an der straßenseitigen Hausfassade in Form einer schmuck- und fensterlosen Betonkonstruktion ebenso eine Absage erteilt. Warum die Grundsätze dieser Entscheidungen hier nicht anwendbar sein sollten, führt die Revisionsrekurswerberin nicht aus.